Die Malerin von Fontainebleau
alles allein. Oh, wenn sie doch nur ein Mann wäre! Dann hätte sie Kunstwerke geschaffen, die von der Welt anerkannt wurden. Malende Frauen wurden milde belächelt, wenn man sie überhaupt malen ließ. Luisa nahm den Hobel in die Hand und fuhr seine vom vielen Gebrauch abgerundeten Ränder nach. Sie wollte ein Werk schaffen, das voller Zärtlichkeit und Stärke zugleich war. Wenn sie ihre Sache gut machte und das kleine Fresko unterhalb der Stuckierungen von Kleobis und Biton zu Rossos Zufriedenheit ausführte, konnte sie ihn vielleicht überreden, ihr eine eigenständige Arbeit anzuvertrauen.
»Morgen, Luca, morgen kannst du mir zeigen, was du kannst. Hier … Hörst du überhaupt zu?« Ärgerlich setzte Matteo den Eimer ab.
Das laute Geräusch riss Luisa aus ihren Gedanken.
»Tut mir leid. Was hast du gesagt?«
»Die Farbpigmente. Wir bewahren sie in Truhen auf. Sie sind kostbar.«
»Ich weiß.« Sie lächelte entschuldigend.
Matteo ging zu einer Werkbank in der Raummitte und zog eine Truhe darunter hervor. An seinem Gürtel hing ein Schlüssel, mit dem er das widerspenstige Eisenschloss öffnete. »Es gibt immer den einen oder anderen, der stiehlt.«
Einer der Römer kam vorbei und schnappte Matteos Worte auf. »Wen beschuldigst du? Mich vielleicht?« Er war groß und balancierte einen Säulenstumpf auf seiner Schulter.
»Nicht doch, Lonzo. Aber es verschwinden oft genug Dinge von hier, oder willst du das bestreiten?«
»Das passiert in jeder Werkstatt.« Lonzo trug seine Last, als wäre sie nichts weiter als eine Kiste voller Gemüse.
»Was es nicht besser macht«, murrte Matteo und schlug den Deckel der Eichentruhe auf.
Luisa hielt den Atem an. Hier stand ein Vermögen in Tiegeln und Schalen.
Stolz zeigte Matteo auf ein blaues Pulver. »Lazur aus Lapislazuli. Das da ist Malachit, dort Ossa combusta.«
Letzteres war ein Kalkweiß, das aus pulverisierten Tierknochen gewonnen wurde. Des Weiteren gehörten zu den Kostbarkeiten Safran, Terra viridis und Verniculum. Die Farbmittel strömten einen intensiven Geruch aus, den Luisa lieben gelernt hatte. »Für die Fresken müssen die Farben kalkecht sein.«
»Selbstverständlich. Der Meister hat hier einiges stehen, was er auch für seine Ölbilder verwendet. Als Weiß zum Beispiel nimmt er im Fresko nur eingesumpften buttrigen Kalk, das ist reinstes Weiß und bindet dazu hervorragend.«
Matteo beugte sich nun ganz nahe zu ihr und flüsterte: »Was ist mit deinem Bruder? Es kursieren die wildesten Gerüchte über seinen Aufenthalt in Paris.«
Luisa räusperte sich. »Er war krank, und der Arzt von Madame d’Étampes hat ihm geholfen.«
»Ah ja. Wir haben gehört, dass er im feinen Tournelles, oder wie das Haus Seiner Majestät in Paris heißt, gewohnt hat.«
»Um genau zu sein, hat er gegenüber bei Madame d’Étampes gewohnt. Vielmehr war sie so großzügig, ihn dort pflegen zu lassen. Das ist alles, Matteo.«
Er grinste. »Verzeih, aber nicht jedem von uns wird bei einem Schnupfen eine solche Extrabehandlung zuteil.«
»Es war kein Schnupfen, Matteo, und du bist sehr neugierig!«, wies sie ihn scharf zurecht.
»Oh, nicht? Dann hat er sich wohl die Franzosenkrankheit eingefangen. Würde mich nicht wundern, wo er’s doch mit dieser Josette …« Abrupt schloss er den Mund.
»Hör doch auf!« Luisa hatte genug und ließ den vorlauten Florentiner stehen, um nach ihrem Bruder zu suchen.
Da er nicht mehr in der Galerie war, ging sie über den Hof zur Werkstatt. Endlich schien wieder einmal die Sonne, und sie schloss für einen Moment die Augen, um die Wärme auf ihrem Gesicht zu genießen. In Siena würde bereits der Frühling Einzug halten. Schon bald würde die toskanische Sonne das Land erwärmen und alles erblühen lassen. Sie schaute auf den nassen, schlammigen Boden. Diese ewige Feuchtigkeit! Von der Abtei klang Mönchsgesang herüber. Unwillkürlich sah sie zu den Fenstern des Badehauses. Sie war froh, dass Franz mit seinem Hofstaat nach Moulins gereist war. Zumindest für die nächsten paar Wochen würde es ruhig sein in Fontainebleau. Außer den Künstlern und Bauarbeitern und einer kleinen Dienerschar war niemand vom Hof im Schloss vertreten, was die Atmosphäre erheblich entspannte, wie Luisa fand. Kaum hatte sie das gedacht, ertönten Pferdehufe auf der Allee, die am See entlang zum Schloss führte. Ein Bote. Sie zuckte mit den Schultern und ging in die Werkstatt.
Armido saß an einem Tisch und studierte eine Zeichnung. Es war kalt
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