Die Malerin von Fontainebleau
in dem provisorisch errichteten Holzgebäude. In einer Ecke standen Fässer, die mit Kalksand gefüllt waren, Kisten voller Marmormehl, und in einer etwas abseits stehenden Kiste wurde über zwanzig Jahre alter Kalk aufbewahrt, von dem Armido sagte, er verleihe Fresken besonderen Glanz. Auf einfachen Holzböcken lagen drei Bretter nebeneinander und bildeten eine Art Arbeitstisch, auf dem Gipsformen und Werkzeuge lagen. In einer Ecke stand ein Korb mit zerhackten Tauen, die von manchen Künstlern unter den Kalkbrei gemischt wurden. Bei Rosso hatte sie das nicht gesehen, und so unterstellte sie Primaticcio, diese zu verwenden.
Einer von Primaticcios Leuten war damit beschäftigt, Mörtel anzurühren, sonst war außer Armido niemand zu
sehen. Luisa ging zu ihrem Bruder und berührte ihn an der Schulter.
Sofort fuhr er herum und sah sie aus dunkel umrandeten Augen an. »Was? Ach, du bist es.« Er zeigte auf die Zeichnung. »Rosso braucht uns Stukkadore nicht länger. Jedenfalls nicht im Moment. Die Dekorationen in der Galerie sind so weit fertig. Die Fresken malt er eigenhändig, und für den Putz hat er Matteo und noch einen Florentiner. Wir sollen ab morgen mit Primaticcio arbeiten.« Seine Miene machte aus seinem Missfallen keinen Hehl. »Und du?«
»Er hat mir erlaubt, ein kleines Fresko zu gestalten«, sagte sie vorsichtig.
Armido nickte. »Du hast es dir verdient, oder?«
»Das war gemein. Und es ist mir gleich, wenn du denkst, es ist nur, weil ich mit ihm geschlafen habe. Er hatte mir den Auftrag schon versprochen, als der König in der Galerie war.« Sie sah die Traurigkeit in seinen Augen.
»Ja, ich weiß. Tut mir leid.« Er legte abwesend die Hand an seinen Gürtel, an der sein Dolch fehlte.
»Armido. Ich kann nicht mit ansehen, wie du leidest. Willst du mir nicht sagen, was dein Herz schwer macht?«
Er hob den Kopf und rief Primaticcios Mann zu: »Wie lange willst du noch in deinem Mörtel rühren, bis er schaumig wird?«
»Ach, bist du schlecht gelaunt heute!« Der Mann warf seine Hacke, mit der er gerührt hatte, zur Seite und schleppte den Eimer hinaus, nicht ohne Armido einen bösen Blick zuzuwerfen.
Mit einem tiefen Seufzer ließ Armido die Schultern sinken und zog Luisa in seine Arme. Eine Weile hielt er sie wortlos umschlungen, drückte ihr dann einen Kuss auf die Stirn und sagte: »Ich liebe diese Frau, Luisa, aber ich darf sie nicht heiraten.«
»Aber warum denn nicht? Wen?«
»Jules Dubrays Schwester, Aleyd. Ich sollte dir nichts erzählen, Luisa. Das bringt nur Unglück. Sie gehört zu den ›Armen von Lyon‹, und sie wird nur einen Glaubensbruder heiraten.«
Sein innerer Kampf stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Die Blätter … die Resolution von Chanforan …«
»Ja, Luisa.« Er sah sie lange an und schüttelte dann den Kopf. »Hab keine Angst. Ich werde dich nicht in Gefahr bringen. Ich werde sie nicht heiraten und Frankreich verlassen.«
»Nein!« Sie ergriff seine Hände. »Nein! Nicht meinetwegen! Ich bin es, die gehen wird. Schließlich habe ich dich erst in diese schreckliche Situation gebracht. Wenn ich nicht heimlich hierhergekommen wäre, hättest du keine Sorgen!«
Lächelnd tätschelte er ihre zarten Hände. »Du wirst nicht gehen. Meister Rosso gibt dir eine Chance, wie du sie in deinem ganzen Leben nicht wieder erhalten wirst.«
»Aber du liebst Aleyd. Du darfst sie nicht aufgeben. Das könnte ich mir nie verzeihen! Du könntest sie doch heimlich heiraten, oder nicht? Du findest überall Arbeit. Ihr könnt nach Italien gehen. Oder, wenn sie da auch nach euch suchen, in die deutschen Lande oder …«
»Immer auf der Flucht? Aleyd wird ihre Familie nicht verlassen. Aber ich werde mit ihr sprechen. Vielleicht findet sich ja doch eine Lösung.«
»Und Josette?« Plötzlich fiel Luisa die temperamentvolle Kammerzofe ein, die sie nach ihrer Rückkehr aus Paris mit Fragen nach Armido gelöchert hatte.
»Josette, ph.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Was soll mit ihr sein? Sie ist ein netter Zeitvertreib, weiter nichts. Männer müssen sich körperlich abreagieren.« Er grinste. »Das bedeutet gar nichts.«
Das unerwartete Zuschlagen der Werkstatttür ließ die
Geschwister zusammenfahren. »Was war das?« Luisa lief zur Tür, stolperte über einen Holzpflock, doch als sie auf den Hof hinaussah, war niemand zu sehen.
»Der Wind«, sagte Armido, als sie zurückkam. »Wir sehen langsam Gespenster.«
Nachdenklich blickte Luisa zur Tür. Gespenster konnten
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