Die Malerin von Fontainebleau
vielleicht Türen zuschlagen lassen, aber es gehörte nicht zu ihren Gepflogenheiten, Sträuße getrockneten Lavendels fallen zu lassen. Luisa hatte den kleinen Strauß, der im Matsch gelegen hatte, in ihre Gürteltasche gesteckt. »Versprich mir, dass du nicht meinetwegen auf dein Glück verzichtest, Armido. Das könnte ich nicht ertragen.«
»Nein, kleine Schwester. Und jetzt sag mir noch einmal, was Pietro geschrieben hat. Ich habe den Brief noch gar nicht richtig gelesen.«
Und während sie über Siena und die Familie sprachen, vergaßen sie für einen kurzen Moment die sie umgebenden Bedrohungen, die näher rückten, als beide ahnten.
Die Glocken der Abtei läuteten zum Abendgebet, als Armido mit einer Pergamentrolle unter dem Arm aus der Werkstatt trat. Er verdankte Meister Primaticcio seine Berufung nach Fontainebleau und würde sich Mühe geben, den Bologneser nicht spüren zu lassen, dass er Rosso mehr schätzte. Rosso hatte mehr esprit , wie die Franzosen sagen würden. Seine Majestät sah das genauso, denn obwohl neben Rosso nur Primaticcio den Titel »Meister in Fontainebleau« führen durfte, hatte der König Rosso die alleinige Leitung der künstlerischen Arbeiten am Schloss übertragen. Auch der Entwurf, den er bei sich trug, verriet deutlich Rossos Einfluss. Er zeigte tragende Stuckkaryatiden – Ceres, Priapus, Bacchus und Kybele -, welche die königlichen Räume zieren sollten. Armido betrachtete den sternenklaren Abendhimmel
und überlegte sich, wie er die Ährenkrone von Ceres am geschicktesten stuckieren konnte, als er Schritte hörte.
»Du machst dich rar in letzter Zeit, Armido. Liegt es an mir? Gefalle ich dir nicht mehr?« Josette balancierte auf den Brettern, die durch den Matsch führten und den Bauarbeitern beim Schieben ihrer Karren halfen, auf ihn zu. Als sie mit einem ihrer seidenen Schuhe in den dunklen Schlamm geriet, der mit Pferdemist und den Exkrementen von Hunden und Hühnern vermengt war, fluchte sie. »Willst du mir nicht helfen, du Trottel?«
Er ging zu ihr und hob sie auf eine Planke. Ihre Wangen waren gerötet, und ihre Augen funkelten gefährlich, aber Armido hatte keine Lust herauszufinden, welche ihrer Launen sie antrieb. »Ich habe noch zu arbeiten, Josette. Es tut mir leid.«
»Oh, Monsieur ist plötzlich sehr beschäftigt! Es gab Zeiten, da konntest du mich gar nicht schnell genug aus den Kleidern und in dein Bett bekommen! Verfluchter Mistkerl! Du kannst mich nicht einfach wegwerfen!«
Er fuhr sich durch die Haare. Eine eifersüchtige Zofe war das Letzte, was er brauchen konnte. »Morgen Abend, Josette. Ich verspreche, dass ich morgen Zeit für dich habe.«
Schmollend schob sie die Unterlippe vor. Ihr pralles Dekolleté wurde kaum von ihrem Schal bedeckt, und sie drückte sich an ihn. »Na schön, morgen. Aber ich warne dich, die Rache einer verschmähten Frau ist grausam.« Dabei rieb sie mit geübtem Griff über seine Schamkapsel.
Armido sog scharf die Luft ein. Ihre körperliche Anziehung war unleugbar groß, doch er wollte Aleyd nicht länger betrügen. Bis morgen würde ihm eine Lösung einfallen.
»Du willst mich, und du kannst es nicht abstreiten!« Josette ließ ihn los und wandte sich mit rauschenden Röcken um. »Morgen Abend. Vergiss das nicht! Ich komme zu dir.«
Armido sah ihr nach, wie sie über die Planken trippelte. Sie konnte sehr zornig werden, das wusste er nur zu gut. Warum war sie auch nicht mit ihrer Herrin nach Moulins gegangen? Nachdem er tief ausgeatmet und sich sein Körper von Josettes Reizen erholt hatte, ging er hinunter in die Küche, wo er hoffte, Reste des Abendessens zu finden.
Der Saal, in dem die Künstler ihr Mahl einnahmen, war bis auf eine Gruppe Würfelspieler leer. Auf einem Tisch stand noch Wein, und ein halber Brotlaib lag auf einer Platte zusammen mit Würsten und Schinken. Mehr brauchte er nicht. Er zog die Platte zu sich heran, schnitt Scheiben der Wildschweinwurst, die ihn an Siena erinnerte, und ein Stück Brot ab und spülte die Bissen mit einem kräftigen Rotwein hinunter. Mit dem Fuß stieß er nach einer Ratte, die frech am Tischbein nach oben klettern wollte. »Verschwinde!«
Quietschend rannte der Nager davon. Einer der Würfelspieler lachte. Er war Niederländer und gehörte zu Thirys Leuten, war aber ein umgänglicher Geselle. »Wenn die Hofleute fort sind, tanzen die Viecher hier auf den Tischen!«
Sein Gegenüber, ein grobschlächtiger Stuckateur, griff nach seinem Messer und warf damit nach
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