Die Malerin von Fontainebleau
Hund erhob sich von einem Sack und schnappte sich die Wurst.
»Ich, gar nichts, Monsieur …«, stammelte Didier und vermied es, ihn anzusehen.
»Hast du gelauscht? Was treibst du überhaupt hier? Du bist doch sonst immer oben!« Er musterte den sich windenden Jungen und begriff plötzlich, was ihn unterbewusst schon in der Küche verwundert hatte. Es war die Kleidung. Vorher hatte er schäbige Hosen und Schuhe getragen, die den Namen kaum verdienten, doch heute glänzten seine Lederschuhe, und Hose und Gürtel waren von solider Machart. »Wo ist das her?«
Didier machte sich los. »Ihr seid nicht der einzige Herr, der mir manchmal was zusteckt für Gefälligkeiten. Ich stehle nicht!« Mit großen trotzigen Augen erwiderte er Armidos Blick.
Dagegen konnte er nichts sagen. »Bring mir ein neues Nachtmahl und einen Krug Wein nach oben. Wo ist mein Bruder? Hast du ihm bereits aufgewartet?«
»Nein, Monsieur. Euer Bruder ist bei Meister Rosso. Ist das alles, Monsieur?«
Armido brummte etwas Unverständliches und ging davon.
XVIII
Semele
Lasst uns mit Rosen uns bekränzen, bevor sie verblühen!
Alte römische Weisheit
L uisa betrachtete den schlafenden Mann neben sich. Rosso war fast im selben Alter wie König Franz, wirkte jedoch um Jahre jünger. Aus seinen Zügen sprachen Hingabe und Leidenschaft für seine Kunst und für das Leben, das er jedoch maßvoller genossen hatte als sein König. Sein kastanienfarbenes Haar und der Bart waren von grauen Strähnen durchzogen. Zärtlich strich ihm Luisa über die Brust. Da er gern ritt und sich nicht scheute, im kalten See zu schwimmen, war sein Körper muskulös, die Hüften waren schlank geblieben, denn er versagte sich allzu fette Speisen.
»Was siehst du, einen alternden Liebhaber?« Er zog sich ein weiteres Kissen unter den Kopf.
Sie kuschelte sich an seine Seite. »Ich sehe einen Mann, den ich für seine Kunst und seine visionären Ideen bewundere, und den Geliebten, der mich erzittern lässt vor Lust, weil er meinen Körper behandelt wie eines seiner Kunstwerke.«
Rosso lächelte. »Du bist eine sonderbare Frau, Luca.«
»Luisa«, verbesserte sie leise.
»Luisa? Für mich bist du Luca. Dich mit einem Männernamen
zu rufen hat etwas viel Erotischeres. Ich habe nur mit wenigen Frauen geschlafen. Geliebt habe ich nie eine.«
»Liebst du Francesco Pellegrino?« Die Frage war ihr herausgerutscht, und sie bereute bereits, sie gestellt zu haben.
»Spielt das eine Rolle?«
»Nein.« Sie wollte ihn nicht verlieren.
»Du bist nicht ehrlich. Versprich mir, immer ehrlich zu sein. Ich verheimliche dir nichts. Pellegrino ist seit einigen Jahren mein Gefährte. Er kümmert sich um meine finanziellen Angelegenheiten, organisiert die Werkstatt und bringt meine Kleidung zum Schneider. So kann ich mich auf das Wesentliche konzentrieren, meine Arbeit.«
»Du hast ihn nach Paris geschickt.«
Seufzend ließ er seine Hand über ihren knabenhaften Körper gleiten. »Ich möchte ihn nicht verlieren. Pellegrino ist sehr eifersüchtig. Er würde nicht verstehen, was ich für dich empfinde, und dich dafür hassen.« Rosso zog sie auf sich und hielt sie fest umschlungen. »Ich will nicht, dass dich jemand hasst. Du bist so zerbrechlich und gleichzeitig so stark.« Er küsste sie sanft.
Luisa fühlte sich so geborgen wie kaum jemals zuvor in ihrem Leben. Die Decke, unter der sie lagen, war aus sibirischem Fuchsfell und mit Seide abgefüttert. Auf dem Boden lagen Teppiche, und im Kamin brannte zu jeder Tagesund Nachtzeit ein Feuer. Rosso bevorzugte schweren Bordeaux und Armagnac, von dem eine bauchige Flasche auf dem Tisch stand. Neben seinem Bett lagen Bücherstapel, ebenfalls ein unerhörter Luxus. Aretino, Petrarca, Castigliones »Buch vom Hofmann«, Vergil, Homer, Cicero und andere Klassiker lagen neben französischen Dichtern. In großformatigen Ledermappen waren Drucke von Werken anderer Künstler verstaut. Auch Zeichnungen von Leonardo da Vinci waren darunter, die seltsame technische Apparaturen
darstellten, und Blätter mit den Sternenkonstellationen. Für Luisa waren Rossos Räume eine Oase des Wissens, und sie wünschte sich, dass er sich noch oft die Zeit nehmen und ihr erklären werde, was sie nicht verstand.
»Aurora ruft«, unterbrach seine Stimme ihre Gedanken.
Sie blickte zum Fenster und sah die ersten Strahlen der Morgenröte. »Die Freundin der Musen. Heißt es nicht so?«
»Ja, und ich arbeite gern, wenn der Tag noch jung ist.« Es klopfte leise an
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