Die Maori-Prinzessin
meine liebreizende Stiefmutter …« Der junge Mann schlug sich die Hand vor den Mund. »Entschuldigung, sollten Sie Spott herausgehört haben, war das nicht beabsichtigt.«
Eva grinste; aus seinen Augen blitzte der Schalk.
»Sprechen Sie ruhig weiter«, ermutigte sie ihn, während sie sich das Lachen verbiss.
»Also gut, weder meine liebreizende Stiefmutter noch mein Vater haben erwähnt, dass in diesem Haus so hübscher Besuch weilt. Dann darf ich Sie herzlich willkommen heißen.«
»Sie sind also der Sohn von Doktor Thomas, freut mich Sie kennenzulernen.«
»Daniel«, sagte er und reichte Eva die Hand. »Sehen wir uns beim Essen?«
»Äh, nein, ich … ich, also ich bin schrecklich müde und kein bisschen hungrig …«
Ihr Magen knurrte, dass es kaum zu überhören war. Daniel aber setzte ein betont ernstes Gesicht auf.
»Sie haben also kein bisschen Hunger? Wie schade, sonst würde ich Ihnen etwas aus der Küche holen und mit Ihnen gemeinsam ein Picknick in Ihrem Zimmer machen, denn meines ist nur eine Gästekammer. Ich glaube, es gibt Hühnchen. Das lässt sich ja leicht aus der Hand essen, aber wenn Sie keinen Hunger haben, dann …«
»Eine Keule und ein wenig von der Brust«, unterbrach Eva ihn hastig.
»Eine gute Entscheidung«, erwiderte Daniel und wandte sich zum Gehen, doch in diesem Augenblick tauchte Adrians Schatten aus dem halbdunklen Flur auf.
»Mensch, schön, dich zu sehen!«, rief Adrian erfreut aus. Die beiden Männer umarmten einander herzlich. Dann wandte Adrian sich an Eva: »Ich wollte dich zum Abendessen abholen.«
»Nicht nötig«, erklärte Daniel. »Die Dame hat keinen Hunger.« Er zwinkerte ihr zu.
»Ist er immer so lustig?«, fragte Eva.
»Ja, aber nur, wenn meine Mutter und sein Vater nicht in der Nähe sind.«
»Das kann ich gut verstehen«, rutschte es Eva heraus. Erschrocken schlug sie sich die Hand vor den Mund; die beiden Männer grinsten sie an.
»Dir kann ich ja verraten, dass es ein konspiratives Treffen gibt«, flüsterte Daniel Adrian zu. »Und zwar in deinem Zimmer …« Er stockte. »Wieso wohnt sie eigentlich in deinem Zimmer?«
Adrian wand sich.
»Ach, ich glaube, ich verstehe. Die Herrschaften wünschten nicht, dass der Besuch mit ihnen das Bad teilt.« Daniel prustete laut los.
»Ja, mein Stiefbruder hat einen ganz besonderen Humor«, bemerkte Adrian. »Er spricht die Dinge, die in diesem Haus unter den Teppich gekehrt werden sollen, mit Freude aus und amüsiert sich jedes Mal königlich, wenn alle anderen peinlich berührt sind, aber ich mag ihn, weil er Architekt ist. Das, was ich auch eines Tages sein werde!« Adrian legte Daniel, der einen Kopf kleiner war als er, kumpelhaft den Arm um die Schulter.
»Wollen wir ihn einladen?«, fragte Daniel Eva verschmitzt.
»Ich würde sagen: Ja!«
»Gut, unter einer Bedingung. Er holt alles Essbare aus der Küche, weil es bei mir auffälliger wäre. Adrian wohnt ja schließlich hier, ich bin nur zu Besuch …«
»… nein, nein, nein, so nicht, mein Freund. Wir teilen uns die Aufgaben. Du holst das Essen, während ich mich um den Wein kümmere.«
Die beiden verschwanden Arm in Arm im Halbdunkel des Flures, nicht ohne Eva noch zu bitten, den Tisch herzurichten.
»Gläser und Teller sind in der Anrichte. Du wirst feststellen, dass ich es vorziehe, auf dem Zimmer zu speisen«, rief Adrian ihr noch zu.
Eva lächelte immer noch, als sie die Türen der Anrichte öffnete. Die beiden jungen Männer waren eine angenehme Gesellschaft nach diesem schönen Tag mit Tante Ha und Großmutter Lucie … wobei sie kaum mehr leugnen konnte, dass Adrians Gegenwart ihr zunehmend Herzklopfen bereitete. Als er eben zu ihnen gestoßen war, hatte sich ihr Puls merklich beschleunigt. Sie mochte ihn gern ansehen. Er war groß, schlank, fast ein wenig schlaksig, hatte dunkle Locken und braune Augen. Und seine Stimme klang wie Musik … In demselben Augenblick, in dem sie sich zugestand, dass ihr Adrian nicht gleichgültig war, meldete sich ihr Verstand. Sie durfte sich nicht das Geringste anmerken lassen, denn das Letzte, was sie gebrauchen konnte, war ein gebrochenes Herz, wenn sie bald nach Amerika ging. Schluss mit der Schwärmerei, redete sie sich gut zu.
Eva überlegte, ob sie das große Fenster nicht aufreißen sollte, doch da fiel ihr ein, dass der Rest der Familie genau unter ihnen saß. Und sie hatte keinerlei Lust, mit zwei jungen Männern auf dem Zimmer erwischt zu werden.
Sie war gerade fertig, nachdem sie alles
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