Die Maori-Prinzessin
gefunden hatte, was ein gedeckter Tisch erforderte, als die beiden jungen Männer von ihrem Beutezug zurückkehrten.
Daniel hatte einen Korb bei sich und Adrian zwei Flaschen unter dem Arm.
»Beinahe wäre ich meiner Mutter in die Arme gelaufen, als ich aus dem Keller kam und einen Korkenzieher gesucht habe. Ich konnte mich gerade noch hinter dem Küchenschrank verstecken, wo mich prompt die gute alte Stella gesehen hat. Aber sie liebt mich und würde mich nie verraten.« Adrian stellte den Wein auf den Tisch und öffnete eine der Flaschen.
»Das ist ja gar nichts! Ich bin mit dem Korb in der Hand deiner Schwester begegnet. Ich habe ihr von meinem schlimmen Magen erzählt und konnte sie nur knapp davon abhalten, mir Zwieback und Tee aufs Zimmer zu bringen.«
Ein köstlicher Duft nach gebratenem Hähnchen erfüllte das Zimmer. Ehe Eva protestieren konnte, war Daniel beim Fenster und riss es auf.
»Herrlich!«, rief er aus. Eva versuchte ihm ein Zeichen zu machen, aber es dauerte einen Moment, bis Daniel es richtig gedeutet hatte und das Fenster schweigend schloss.
»Meine Herren, zu Tisch!«, befahl Eva und ließ ihren Blick über das köstliche Essen schweifen. Daniel hatte wirklich an alles gedacht. Außer dem Fleisch hatte er Gemüse und Süßkartoffeln ergattert.
Das Essen war ein Genuss. Und der Wein war köstlich. So köstlich, dass sich Eva wunderte, warum Adrians Vater das Weingut hatte aufgeben müssen. Er hatte zwar mehr Säure als die Weine, die sie aus der Pfalz kannte, aber der Hauch von tropischen Früchten, den Eva sofort herausschmeckte, gefiel ihr außerordentlich gut. So ähnlich hatte der Wein geschmeckt, den Lucie zum Picknick auf dem Bluff Hill mitgebracht hatte.
Eva schloss die Augen. Sie meinte, eine Stachelbeernote zu kosten.
»Ein großartiger Wein. Warum habt ihr das Weingut nicht halten können?«, fragte sie und riss im selben Augenblick erschrocken die Augen auf. »Entschuldige, dass ich so neugierig frage. Unser Wein in der Pfalz hat auch gut geschmeckt, aber die Geschäfte liefen aus unterschiedlichen Gründen immer schlechter …«
»Warum? Das habe ich mich auch stets gefragt, als ich jünger war. Warum arbeiten für uns immer weniger Menschen in den Weinbergen, warum wird Vater immer trübsinniger und wird bald sein bester Kunde? Bei ihm kam mehrerlei zusammen: Die Ehe meiner Eltern war unglücklich, meine Mutter hatte wohl schon immer einen Liebhaber, unseren Arzt … Jeder in Napier wusste es, aber keiner sprach offen darüber. Nur hinter vorgehaltener Hand. Das ist verletzend für den Betrogenen.«
»Das kann ich bestätigen. Diese Affäre hat ja schließlich auch meiner Mutter das Herz gebrochen«, bemerkte Daniel.
»… hinzukamen die stets strenger werdenden Prohibitionsgesetze. Der Stern sank eigentlich unaufhaltsam, nachdem das Weingut nicht mehr unter dem Schutz der Mission stand, weil die Maristenbrüder den Weißwein lieber selbst anbauen lassen wollten, als meiner Familie am Gesetz vorbei den Verkauf damit zu ermöglichen.«
»Du bedauerst es, nicht wahr?«, hakte Eva nach.
»Natürlich, was ich allerdings schlimmer finde, als dass mein Vater eine Pleite hingelegt hat, ist die Tatsache, dass meine Mutter sich, während er ums Überleben gekämpft hat, kaum mehr bemüht hat, ihr Verhältnis zu Doktor Thomas zu verbergen. Keine Frage, Vater war nicht unschuldig an dieser Misere, weil er zum Schluss nur noch gesoffen hat; wäre sie ihm eine Stütze gewesen und hätte die Familie zusammengehalten …, aber sie hat sich meist beim Doktor rumgetrieben. Ich konnte das nicht mehr ertragen und bin zu meiner Großmutter gezogen. Ich hätte Berenice gern mitgenommen, sie wollte aber partout nicht bei Lucie leben.«
»Wisst ihr, was mich wundert?« Eva sah von Adrian zu Daniel. »Dass ihr beide euch so gut versteht. Du bist der Sohn der Geliebten seines Vaters, du der Sohn des Liebhabers seiner Mutter …«
»Die Affäre unser Eltern ist auch bestimmt nicht das, was uns verbindet. Wir sind eher Brüder im Leid. Ach, wir mögen uns einfach und teilen dieselben Interessen. Daniel ist mein großes Vorbild«, erwiderte Adrian in einer Mischung aus Ernsthaftigkeit und Spott.
»Richtig, die Liebe unserer Eltern zueinander verbindet uns mit Sicherheit nicht«, ergänzte Daniel nachdrücklich. »Wir waren uns schon sehr nahe, als wir mal mit den Knirpsen der unteren Klassen einen Ausflug nach Wellington gemacht haben. Der Einzige, der mich in jedes Gebäude hinein begleitet
Weitere Kostenlose Bücher