Die Marionette
Sie heute Abend wieder auf freiem Fuß.«
»Und was macht Sie so sicher, dass er mich gehen lässt?«
Diesmal war es Valerie, die eine Antwort schuldig blieb. Schweigend zog sie eine Visitenkarte aus der Tasche ihres Jacketts. »Rufen Sie mich an, sobald Sie draußen sind. Wir haben eine Menge zu besprechen.«
***
Hamburg, Deutschland
Die SMS erreichte Eric Mayer auf dem Weg ins Polizeipräsidium. »Rudolf Hagedorn hat sich umgebracht. Vermutlich gibt es eine Verbindung zu Vieth.« Mayer starrte fassungslos auf die Zeilen. Nach seinem Besuch bei Sibylle Vieth hatte er mehrmals vergeblich versucht, den Staatssekretär des Verteidigungsministeriums zu erreichen …
Hinter Mayer hupte es. Irritiert sah er auf. Die Ampel vor ihm war auf Grün umgesprungen. Er gab Gas und wählte gleichzeitig die Nummer seines Vorgesetzten in Berlin. »Sind Sie ganz sicher, dass es sich um Selbstmord handelt?«, fragte Mayer.
»Ich weiß, warum Sie fragen«, erwiderte dieser. »Aber wir haben die interne Mitteilung über Vieths Tod auf Hagedorns Schreibtisch gefunden und Hagedorn keine fünf Meter weiter im Nebenraum.«
»Ist das nicht ein bisschen zu offensichtlich?«
»War uns auch erst suspekt, es handelt sich jedoch eindeutig um eine Affekthandlung.« Sein Vorgesetzter räusperte sich. »Er hat sich erschossen. Es gibt keine Zeugen. Niemand außer uns hat die Leiche gesehen. Die offizielle Darstellung wird auf Herzinfarkt lauten.«
»Wie wollen Sie das der Familie erklären?«
»Das ist das einzig Erfreuliche. Hagedorn hatte keine Familie, auf die wir Rücksicht nehmen müssen. Aber wir sind extrem unter Druck. Wenn die Opposition oder die Presse Wind von der Sache bekommt …«
Der Rücktritt des Verteidigungsministers wäre in diesem Fall unvermeidlich. Und das würde die Regierung in eine Krise stürzen, der sie in der jetzigen Situation nicht gewachsen war. Nicht nach allem, was bereits geschehen war.
»Wir haben in Hamburg sämtliches verfügbare Material gesichert«, sagte Mayer.
»Wir brauchen Sie so bald wie möglich hier in Berlin.«
»Ich weiß.«
Die Auswertung der Unterlagen, die sie aus Vieths Privathaus mitgenommen hatten, und der Abgleich mit den Dateien und Akten der Larenz-Werke würde noch einige Zeit in Anspruch nehmen, aber Mayer wusste, dass er diese Arbeit guten Gewissens Florian Wetzel überlassen konnte. Als er im Polizeipräsidium ankam, erwartete ihn allerdings die nächste Hiobsbotschaft.
»Katja Rittmer ist vor einer halben Stunde aus der Untersuchungshaft entlassen worden«, teilte sein jüngerer Kollege ihm mit. »Ich hab versucht, Sie zu erreichen, aber Ihr Telefon war dauernd besetzt.«
Wetzel trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als er bemerkte, welche Wirkung diese Nachricht auf Mayer hatte. »Finden Sie raus, wo Oliver Schaar steckt, und stellen Sie eine Verbindung zu ihm her«, befahl Mayer mit vor Zorn bebender Stimme. Wetzel beeilte sich, das Büro zu verlassen, und Mayer unterdrückte den Impuls, die Tür hinter ihm zuzuschlagen. Es war, als ob jede erfolgreiche Beseitigung eines Hindernisses auf ihrer Strecke ihnen nur eine weitere Baustelle offenbarte.
***
»Das liegt daran, dass ihr den falschen Ansatz verfolgt«, bemerkte Valerie Weymann wenige Stunden später kühl, als Mayer ihr in einem kleinen französischen Restaurant gegenübersaß, und auf ihre Frage, wie er denn mit seinen Ermittlungen vorankomme, nur sehr ausweichend geantwortet hatte. Sie wusste das wohl einzuordnen.
»Welchen Ansatz sollten wir denn deiner Meinung nach verfolgen?«, gab er ebenso kühl zurück. Nachdem er erfahren hatte, dass sie es gewesen war, die Katja Rittmer aus der Untersuchungshaft geholt hatte, war er versucht gewesen, ihre Verabredung zum Essen abzusagen, hatte sich im letzten Moment dann aber doch eines Besseren besonnen.
»Wenn du ehrlich bist, hast du genauso wie ich deine Zweifel, dass Milan Vieth wirklich hinter den Geschäften mit den Taliban steht«, sagte sie.
Die Sicherheit in ihrer Stimme überraschte ihn. »Wie kommst du darauf?«
»Es geht dir doch in erster Linie darum, die Larenz-Werke möglichst unbeschadet durch dieses Unwetter hindurchzumanövrieren und damit auch Schaden von der Regierung abzuwenden«, konstatierte sie. »Die tatsächliche Aufklärung des Falles scheint mir eher nebensächlich zu sein.«
»Wir haben stichhaltige Beweise, dass Vieth involviert war.«
»Was wäre, wenn ich das Gegenteil beweisen könnte?«
Mayer dachte an die eindeutige
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