Die Marionette
schließen …«
»Wir haben darum gebeten, als Erste die Presse informieren zu dürfen, und wir sind noch dabei«, bemerkte Bender und konnte nicht vermeiden, dass sich eine leichte Schärfe in seinen Ton schlich. »Selbstverständlich sind die zuständigen Ministerien informiert. Im Anschluss an diese Konferenz werde ich mich persönlich mit den Regierungsvertretern treffen.« Er erhob sich. »Deshalb werden Sie sicher verstehen, dass die Zeit drängt, meine Damen und Herren.« Er nickte lächelnd in die Runde. »Wenn Sie weitere Fragen haben, ist unsere Presseabteilung jederzeit für Sie da.«
Bender verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzublicken. Sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, nickte Vombrook ihm anerkennend zu. »Souveräne Vorstellung, Gerwin.«
Dafür habt ihr mich, wollte Bender sagen. Aber er schwieg. Niemand wusste von dem Zettel zwischen seinen Unterlagen. Der kurzen nüchternen Mitteilung, dass sein Stellvertreter Milan Vieth sich am Vorabend das Leben genommen hatte. Er hatte die Nachricht nahezu gleichzeitig mit Beginn der Pressekonferenz erhalten. Zu spät, um abzusagen. Er war heilfroh, den Pressevertretern den Rücken kehren zu können, bevor sie davon erfuhren. Die Nachricht würde einschlagen wie eine Bombe.
***
Hamburg, Deutschland
»Wir brauchen einen Arzt«, sagte Mayer.
Sibylle Vieth kam langsam wieder zu sich. Mühelos hatte er sie auf die Couch im Wohnzimmer getragen und behutsam hingelegt, eine Zurückhaltung und Vorsicht in seinen Bewegungen, die Valerie berührte. »Ich rufe einen Krankenwagen«, sagte sie.
»Das … das ist nicht nötig«, wehrte Sibylle schwach ab.
Valerie strich ihr das halblange blonde Haar aus dem Gesicht, spürte, wie die Finger der Schwangeren sich fest um ihre andere Hand schlossen. Wie Sibylle versuchte, ihren Atem zu kontrollieren, ihre Gefühle, dennoch füllten schließlich Tränen ihre Augen. »Ich wusste, dass es passieren würde«, flüsterte sie und wandte den Kopf ab. Sie weinte still, ihr Körper krümmte sich in ihrem Schmerz. Valerie sah hilfesuchend zu Mayer. Er war ans Fenster getreten und telefonierte leise. Sie hoffte, dass er trotz Sibylles Widerspruch einen Krankenwagen oder einen Arzt bestellte.
Gemeinsam beobachteten sie wenig später, wie die hochschwangere Frau auf einer Trage zu dem wartenden Fahrzeug gebracht wurde.
»Hat Frau Vieth Verwandte, die wir informieren können?«, wollte Mayer wissen.
»So gut kenne ich sie nicht«, gestand Valerie. Sie dachte nach. »Ich glaube, sie hat eine Schwester, die auch in Hamburg lebt«, fügte sie nach einer Weile hinzu.
»Weißt du, wie sie heißt?«
»Nein, tut mir leid.«
Mayer wandte sich zurück zum Haus. »Vielleicht finden wir ein Adressbuch.«
Es lag neben dem Telefon. Sie blätterten es gemeinsam durch, doch die Namen sagten Valerie wenig. Schließlich zog Mayer seinen Blackberry aus der Tasche und gab eine Nummer ein. »Florian, finden Sie bitte raus, ob Sibylle Vieth in Hamburg nähere Verwandte hat, und schicken Sie jemanden hin. Frau Vieth wird gerade ins Heidberg-Krankenhaus gebracht. Informieren Sie mich per SMS , ob Sie Erfolg hatten. Ich bleibe hier, bis die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft eingetroffen sind.« Dann wandte er sich zu Valerie und maß sie mit einem langen, nachdenklichen Blick. »Warum bist du hier?«
Die Unmittelbarkeit, mit der er ihr diese Frage stellte, rüttelte sie auf, erinnerte sie daran, dass sie sich auf gefährlichem Pflaster bewegte, wenn sie sich auf eine Konfrontation mit ihm einließ. Was konnte sie ihm erzählen? Sicher nicht, dass Meisenberg sie mit der Nachricht von Milans Tod mehr oder weniger aus dem Bett geklingelt und gebeten hatte, sofort rauszufahren, um aus seinem Arbeitszimmer verschiedene Akten zu sichern, bevor die Polizei auftauchte. »Wie kann ich das einfach tun?«, hatte sie ihren Seniorpartner empört gefragt. »Du kennst Sibylle Vieth besser als jeder andere von uns«, hatte er lediglich geantwortet. »Du findest einen Weg.«
Milans Arbeitszimmer lag am anderen Ende des Flurs, die Tür war nur angelehnt. Jeden Moment konnten die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft eintreffen. »Milan Vieth hat sich nicht umgebracht. Das weißt du ebenso gut wie ich«, sagte sie herausfordernd zu Mayer und spielte damit den einzigen Trumpf aus, den sie hatte. »Warum mutest du seiner Frau diesen zusätzlichen Schmerz zu? Muss sie wirklich in dem Glauben weiterleben, er hätte sie im Stich
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