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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Überschreiten der polnisch-ostpreußischen Grenze war die Versorgungslage nämlich noch ernster geworden und Jakob machte sich außerordentlich nützlich.
    »Frag mich nicht wie«, sagte Juliane zu Matthäus, »aber er bringt immer einen vollen Sack Gemüse zurück.« Sie konnte sich gut vorstellen, wie Jakob zu Werke ging.
    Er begab sich in die umliegenden Dörfer, blickte mit seinen großen unschuldigen Augen Frauen an und fragte schüchtern, ob er in ihrem Gemüsegarten seinen Hunger stillen dürfe. Meistens blieben die Frauen stehen und sahen beglückt zu, wie er sich den Mund vollstopfte. Manch eine erzählte ihm auch noch, wie glücklich sie sei, daß die Soldaten das Gärtchen bisher noch nicht ausfindig gemacht hätten. Dann bat der Junge schüchtern um ein Glas Wasser oder Milch, falls der Brunnen in der Nähe war, und während die Frau ins Haus ging, zog Jakob blitzschnell einen Leinensack aus dem Wams, riß alles ab, was er zwischen die Finger kriegen konnte, und entwischte, bevor die Frau wieder aus dem Haus trat.
    Von einem dieser Streifzüge kam er mit einem Hündchen zurück, das er Potzblitz genannt hatte und von dem er sich auf keinen Fall trennen wollte.
    Potzblitz zog auch mit, als das Korps nach einer zweitägigen Pause in Calvari am 22. Juni um Mitternacht den Befehl zum schnellen Aufbruch erhielt. Am Tag zuvor war es zu einer herzzerreißenden Szene gekommen, als Juliane Böhnchen schlachtete. »Es geht nicht anders«, hatte sie versucht, Jakob zu erklären. »Schau mal, nur von Zwieback, Brennessel- und Hafersuppe können die Soldaten nicht satt werden. Ein schlecht gebackenes Brot von zwei Pfund kostet jetzt schon einen ganzen preußischen Taler!«
    Weinend wandte Jakob ein, daß das kleine Böhnchen sowieso nicht genug Fleisch für die vielen Soldaten hergeben würde.
    »Ich habe nicht nur Böhnchen geopfert«, meinte da Juliane und deutete auf ihren Wagen. Da erst sah Jakob, daß ein Pferd fehlte. Er schrie auf. Juliane zuckte die Achseln.
    »Jetzt ist mein Wagen ja viel leichter geworden. Und du wirst schon sehen, Pferdefleisch schmeckt vorzüglich, ist viel zarter als Rindfleisch.«
    An jenem Abend weigerte sich der Junge, auch nur einen Löffel der Suppe zu essen. Er hatte sich in eine Ecke des Zelts gekauert und hielt Potzblitz ängstlich an sich gedrückt, als fürchte er, dem kleinen Hund würde das gleiche Schicksal widerfahren wie dem Pferd und der Ziege.

 
Haß
    Aus dem Tagebuch von Johannes Gerter:
    Juni 1812
    Den 8. Juni verließ das Armee-Corps die Grenze Polens; sämmtliche Infanterie-Regimenter bivoukirten zum ersten Mal in der Nähe Gilgenbergs , dem ersten Städtchen in Ostpreußen. Die Noth fing an täglich fühlbarer zu werden. Ein schlecht gebackenes Brot von zwei Pfunden mußte mit einem preußischen Thaler aufgewogen werden. An Lebensmittel anderer Gattung war schon gar nicht mehr zu denken. Den 22. Juni um Mitternacht erhielten wir Befehl zum Aufbruch vom Lager Calvari, wo sich das ganze 3te Armee-Corps – die württembergische Division und die französischen Divisionen Ledru und Razout  – vereinigt und zwei Tage ein Lager bezogen hatten. Man marschirte zwei Tage unaufhaltsam Tag und Nacht, die nöthigen Ruhestunden ausgenommen, meist durch einen ungeheuern Forst, der am zweiten Tage längs der Heerstraße in Brand stand, und bei der herrschenden großen Hitze wahrscheinlich durch die Kochfeuer der vormarschirenden Colonnen entzündet wurde. Versuche zum löschen zu machen, war keine Zeit und Möglichkeit. Die Artillerie mußte, ihre Munition in der größten Gefahr in die Luft zu fliegen, durch dieses brennende Waldmeer ihren Zug nehmen. Nach einem äußerst ermüdenenden unausgesetzten Marsch von 36 Stunden, während einer unerträglichen Hitze, fast ohne trinkbares Wasser zu finden, langte das 3te Armee-Corps den 24. Juni Nachmittags an dem dießseitigen Ufer des verhängnisvollen Niemen an, und lagerte bei dem Dorfe Ponimen. Nun standen wir endlich im Angesichte des Feindes, der mit seiner Vorhut das jenseitige Ufer des Stromes besetzt hielt.
    Als Juliane am Morgen des 22. Juni im Lager von Calvari vor ihr Zelt trat, sah sie als erstes die blau-weiß-rote Flagge, die jemand nahe dem Eingang in den Boden gerammt hatte. Damit wir auch ja nicht vergessen, wer unser Herr ist, murmelte sie. Ziemlich unpassend, daß die französische Flagge ausgerechnet jetzt im Lager gehißt wird, wo Gerüchte über die Erkrankung des württembergischen Kronprinzen die Runde

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