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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Marketenderzelte ein richtiges Fest zu veranstalten, bei dem es weder an herzhaften Nahrungsmitteln noch an Wodka fehlte. Gerter war eingeladen worden mitzuhalten und er ließ es sich nicht zweimal sagen, denn er wollte ausfindig machen, wo diese Menschen die Schweinebäuche, den Zucker, das Mehl, die Butter, die Eier, den Trunk und den Tabak herhatten. Diesbezügliche Fragen wurden jedesmal mit einem Heben des Wodkaglases und einem deutschen »Prost!« beantwortet, was ihn ziemlich mutlos werden ließ.
    Er begann an seinem Talent als Lebensmittelbeschaffer zu zweifeln, sprach dem Hochprozentigen daher etwas mehr zu und wurde entgegen seinem Naturell aggressiv.
    »Ihr müßt euch schon sehr stolz fühlen, daß ihr die Spanier erwischt habt«, sagte er zu einem Hauptmann.
    »Prost!« antwortete dieser.
    Gerter schlug mit der Faust auf den Tisch, daß das Geschirr schepperte und hob die Stimme: »Das einzige Problem ist: Ein Erschossener kann nicht mehr kämpfen.«
    »Prost!«
    »Für die Disziplin ist es wohl unerläßlich, Deserteure zu erschießen«, forderte Gerter den Hauptmann heraus.
    »Prost!«
    »Eigentlich könnte man sie ja laufenlassen, denn als Soldaten sind diese Leute unbrauchbar, aber man muß sie fangen, um den anderen ein abschreckendes Beispiel zu geben«, meinte er sarkastisch.
    Der Litauer umarmte ihn und grölte: »Besser zehn werden erschossen als zehntausende gehen vor die Hunde!«
    Gerter wachte nach jener Nacht mit einem entsetzlichen Kater auf. Die Litauer waren schon weitergezogen und weil er begriffen hatte, daß er angesichts der Massen, die den Württembergern voranmarschierten, als Beschaffer von Lebensmitteln nutzlos geworden war, hielt er es für sinnvoll, zu seinem Korps zurückzukehren. Daran hinderte ihn zunächst nur eins: Es überfiel ihn etwas, das er lange für überwunden gehalten hatte und in einem sentimentalen Anfall vielleicht Heimweh genannt hätte. Etwas, was einem Offizier nicht passieren darf. Deshalb wollte er sich zwingen weiterzureiten, zumindest bis zum Niemen.
    Daß die Stute seines Dieners Felix ausgerechnet an jenem Tag an einer Kolik einging, kein anderes Pferd aufzutreiben und somit die Mission zu Ende war, machte ihm die Entscheidung leicht. Sein schwarzer Hengst schien trotz der doppelten Last von Flügeln getragen zu sein und Gerter verbot sich den Gedanken, daß ihn die Herrin eines Marketenderzelts beim Regiment Franquemont zurückgerufen habe.
    Daß er in den letzten Tagen so oft an die fast schwarzen Augen der Assenheimerin gedacht hatte, lag sicher nur daran, daß sie die einzige Frau war, mit der er in den vergangenen Wochen gesprochen hatte. Reizte ihn etwa die Reserviertheit, mit der sie ihn bei der letzten Begegnung empfangen hatte? Er hatte sich nur einmal mit einer verheirateten Frau eingelassen und vom Duell mit ihrem Mann stammte die Narbe über seiner rechten Braue. Besonders ärgerlich war gewesen, daß ihn erst der Brief mit der Forderung ihres Mannes über ihren Familienstand aufgeklärt hatte. Nein, verheiratete Frauen waren für ihn tabu, und ganz besonders eine Frau, die mit Matthäus Schreiber verheiratet war. Aber er hatte sich noch nicht recht daran gewöhnt, daß das kecke Marketender-Mädel einen Ring trug. Er mußte einfach lernen, sie und den Korporal als eine Einheit zu sehen.
    Trotzdem war das Zelt ein überaus erfreulicher Anblick und Gerter kam es ganz kurz so vor, als wäre er wieder nach Hause gekommen. Nur eins störte ihn: daß sich die Assenheimerin so plötzlich für Politik interessierte. Er trauerte den Zeiten nach, in denen sie ihn mit Klatsch über Soldaten und Offiziere versorgt und ihn ein bißchen mehr als jemand Besonderen behandelt hatte. Über Politik konnte er auch mit jedem anderen reden. Die Ehe verändert die Menschen, bedauerte er wieder einmal.
    Diese Franzosen, dachte Juliane kopfschüttelnd, als sie um sich blickte. Das Lager war schon zum Leben erwacht und zwischen die vertrauten schwäbischen Klänge mischten sich französische Sprachfetzen.
    Ganz in ihrer Nähe stritt sich Franz Ziegler mit einem Franzosen um eine Taube. Offensichtlich glaubte jeder der beiden, sie geschossen und ein Recht auf sie zu haben. Das heftige Wortgefecht hatte andere Soldaten herbeigelockt, die amüsiert der Auseinandersetzung folgten.
    Unter ihnen erkannte Juliane auch Mössner. Besorgt sah sie, daß er sein Gewehr in die Hand genommen hatte, und sie schrak zusammen, als sie einen Schuß hörte.
    Dicht vor ihr fiel etwas

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