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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Männer sprechen, den Mund nur dann öffnen, wenn sie gefragt wird, und vor allem das tun, was ihr der Herr des Hauses gebietet.«
    »Etwa Französisch lernen?«
    Juliane sah ihren Mann so liebevoll an, daß es Gerter einen Stich gab. Wie ist das Leben ohne Liebesglanz, dachte er. Aber es tat schon gut, sich in der Nähe eines solchen Liebesglanzes zu sonnen. Das half auch die Kälte zu vertreiben, die ihn heute bei der Musterung plötzlich befallen hatte, als er Marschall Ney zum württembergischen Kronprinzen mit deutlicher Stimme sagen hörte:
    »Ich habe die Ehre, Euer Liebden zu versichern, daß ich mit Ihren Truppen 40.000 Russen schlagen will.« War an dem Gerücht etwas dran, daß Marschall Ney dem Kronprinzen das Oberkommando abnehmen würde?
    Gerter machte sich zu dem Haus auf, in dem der Generalstab untergebracht war. Er schätzte Oberst von Röder nicht nur als Offizier, sondern fast als väterlichen Freund. Der Oberst hatte es fertiggebracht, sich die Liebe und Ergebenheit aller seiner Offiziere zu sichern. Noch nie hatte Johannes unter einem Oberst gedient, über den nicht nur keiner Klagen führte, sondern der bei seinen Untergebenen allzeit gern gesehen war. Johannes führte es darauf zurück, daß von Röder die beim Militär seltene Gabe hatte, jeden seiner Männer als Individuum zu behandeln und trotzdem in allen das Gefühl für die Gemeinschaft zu stärken.
    Um diese Fähigkeit beneidete Gerter seinen Vorgesetzten, aber tief in seinem Innersten wußte er, daß es ihm nie gelingen würde, daß er eigentlich nicht dafür geschaffen war und auch keine Freude daran hatte, Menschen zu führen. Wenn er sich mit dem einzelnen beschäftigte, verlor er leicht das Gesamtbild aus den Augen, stellte den Sinn manchen Befehls in Frage und wenn er die Übersicht über den jeweiligen Auftrag hatte, konnte er den Soldaten nicht mehr als eigenständige Persönlichkeit erkennen.
    Er hätte es nie jemandem gestanden, daß er sich für einen nicht besonders fähigen Soldaten hielt. Es war nicht seine Wahl gewesen, in den Militärdienst zu treten, sondern er hatte diesen Beruf gewissermaßen geerbt: Seit Generationen wurde der älteste Sohn der Familie Gerter Offizier, und es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, sich dagegen aufzulehnen. Trotzdem hing er gelegentlich Träumen nach, in denen er sich vorstellte, wie sein Leben ausgesehen hätte, wäre die militärische Laufbahn nicht selbstverständlich gewesen. Er wäre Privatgelehrter geworden, natürlich vorausgesetzt, daß ihm ausreichend Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Er malte sich aus, wie er in einem Raum, an dessen Wänden sich hohe Bücherregale entlangzogen, Schiller ins Altgriechische oder Französische übersetzen oder eine Abhandlung über Schillers Einstellung zum Krieg verfassen würde. »Durch die grüne Ebene schwankt der Marsch. Zum wilden, eisernen Würfelspiel streckt sich unansehnlich das Gefilde.« Ein wildes eisernes Würfelspiel schickte nun auch ihn in die Ferne und jetzt, wo aus dem Spiel Ernst zu werden drohte, hoffte er ihm gewachsen zu sein. Gelegentlich sorgte er sich um sein Weiterkommen, aber dann tröstete er sich damit, daß er über ein anderes Talent verfügte. Er konnte vorzüglich organisieren. Das war ihm auch zugute gekommen, als er einmal in einer Stadt zwei Mädchen den Hof machte, die voneinander nichts wissen durften. Alles eine Frage der Organisation.
    Er hatte noch eine Fähigkeit, die ihm selber nicht bewußt war, die aber Eugen von Röder für ihn eingenommen hatte. Der Oberst hatte einmal miterlebt, wie Gerter in einer Kneipe einen Streit zwischen einem Hauptmann und einem Leineweber geschlichtet hatte, und dabei war ihm aufgefallen, daß Gerter den Leineweber nicht leutselig behandelt, sondern ihn ernstgenommen hatte. Der Leineweber, der bei dem Streit im Recht gewesen war und die Autorität des betrunkenen Hauptmanns nicht anerkennen wollte, hatte Gerter am Tag darauf einen Ballen Stoff geschickt und da er seinen Namen nicht kannte, das Paket mit der Mitteilung versehen: ›Für den Offizier, der die menschliche Würde respektiert‹.
    Eugen von Röder sorgte dafür, daß das Paket ankam.
    »Kommen Sie, kommen Sie rein«, von Röder winkte Johannes, sich zu ihm zu setzen. Vor ihm auf dem Tisch lag die Landkarte mit der Marschroute, die das Armeekorps in ein bisher unbekanntes Gebiet führen würde.
    »In ungefähr zehn Tagen soll es losgehen, ich schlage vor, daß Sie zwei Tage vorher losziehen und wie bisher

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