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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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machen. Johannes Gerter hatte sogar von Lebensgefahr für Seine Königliche Hoheit gesprochen.
    »Könnte man denn nicht das ganze Unternehmen abbrechen?« hatte sie hoffnungsvoll gefragt. »Schlimm genug, daß man den Kopf für den eigenen Herrscher hinhalten muß, aber warum für diesen verrückten Franzosen? Wenn der Wind nämlich nächstes Jahr anders weht, führen wir vielleicht gegen ihn Krieg und wie macht man das den Müttern begreiflich, deren Söhne für Napoleon gestorben sind? Man sollte das Unternehmen abbrechen!«
    Juliane war stolz auf sich. Früher hatte sie nicht hingehört, wenn die Männer über Politik sprachen. Da sowieso alles von oben bestimmt wurde und mit solchem Wissen kein Geld zu verdienen war, hatte sie es als Zeitverschwendung angesehen, sich damit zu beschäftigen. Jeder spanne seinen eigenen Wagen an, pflegte sie zu sagen, wenn die Männer im Zelt sie ins Gespräch über politische Entwicklungen einbeziehen wollten oder ihr langweilige Vorträge darüber hielten, was sie tun würden, wenn sie das Sagen hätten. Von Matthäus war sie es gewöhnt, daß er sich den Kopf über den – ihrer Meinung nach nicht zu verändernden – Lauf der Dinge zerbrach und sie ließ ihn schwätzen. Aber da er immer wieder Oberleutnant Gerter dabei erwähnte, war sie aufmerksam geworden. Sie erinnerte sich der verkrampften Atmosphäre im Zelt bei Gerters letztem Besuch. Erst als Matthäus hereingekommen war und die Politik zum Thema wurde, war die Spannung gewichen.
    Vielleicht, dachte sie, ist die Politik nicht nur ein Spielzeug für trinkende Männer. Vielleicht ist sie so etwas wie meine Goldpuppe. Weil keiner weiß, was in ihr steckt, wird darüber geredet, wie häßlich sie ist und daß ihr Kleid endlich gewaschen werden müßte, und so kommt man ins Gespräch. Wenn ich lerne, mit Johannes Gerter über Politik zu reden, muß ich keine Angst mehr haben mich zu verraten. Dann kann ich mit ihm Zusammensein und mich gleichzeitig verstecken. So hatte sie begonnen, Matthäus auszufragen und sich eigene Gedanken zu machen.
    »Bist du unter die Hellseher gegangen?« fragte Gerter. »Und woher das plötzliche Interesse an Politik? Aber nein, liebe Assenheimerin, so nah vor der russischen Grenze wird nicht aufgegeben. Wenn der Kronprinz wieder in die Heimat zurückgeschafft werden muß, wird er das Kommando an Generalleutnant von Scheeler übergeben und alles geht weiter wie geplant.«
    »Warum sind Sie dann zu uns zurückgeritten, wenn alles wie geplant weitergeht?« erkundigte sich Juliane mißtrauisch, als sie Gerter und Felix Branntwein vorsetzte.
    »Weil es bis zur russischen Grenze weder Dörfer gibt, in denen wir Unterkunft finden können, noch Magazine mit Lebensmitteln und weil Felix' Mähre eingegangen ist«, antwortete Gerter und fragte, ob sie nicht ein Pferd für Felix auftreiben könnte. Jedem anderen hätte sie eine solche Frage übelgenommen und ihn mit Hohn überschüttet. Ein Pferd war jetzt kostbarer als die Zarenkrone. Aber wenn es nur die schwache Möglichkeit gab, Johannes einen Wunsch zu erfüllen, dann würde sie die nutzen.
    Sie ging zu ihrem Wagen, holte ein paar Stiefel hervor, die sie für Matthäus aufbewahrt hatte, reichte sie Felix und sagte zu ihm: »Gehen Sie zu Korporal Koch und sagen Sie ihm, daß er diese Stiefel haben kann, wenn er Ihnen dafür seine kostbare Bibel gibt. Ich habe nämlich gesehen, daß sein Schuhwerk schon fast auseinanderfällt. Mit der Bibel gehen Sie dann zum Pfarrer und bieten sie ihm an. Glauben Sie mir, der will die schon seit langem haben. Im Tausch dafür soll er das jüdische Mädchen taufen, das der Johann Wolf aus Polen mitgeschleppt hat, und die beiden miteinander verheiraten.«
    »Und das Pferd?« fragte Felix ungeduldig. Sie schenkte ihm einen vorwurfsvollen Blick. Dachte er etwa, daß sie sich all die Mühe für ihn machte?
    »Auf dem sitzt das polnische Mädchen. Aber sie wird sicher gern laufen, wenn sie dafür zu einer ehrbaren Ehefrau werden kann.«
    »Ein geniales Organisationstalent!« lachte Gerter. »Dann hast du sicher auch daran gedacht, genügend Vorräte für den Marsch mitzunehmen.«
    Juliane funkelte ihn an.
    »Und bitte schön, Herr Quartiermacher, woher soll ich die nehmen? Ist Ihnen klar, daß andere Marketender schon kehrtgemacht haben, weil hier nirgendwo was zu holen ist? Wenn der Matthäus nicht verpflichtet wäre mitzuziehen, hätte ich euch allen schon längst den Rücken gekehrt.«
    »Vielleicht …«
    Gerter brach

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