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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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erobern will, unbedingt Smolensk einnehmen muß«, erinnerte ihn Matthäus.
    »Du, Johannes«, versetzte Gerter und als ihn der Korporal fragend ansah, klopfte er ihm auf die Schulter und fragte: »Fällt es dir so schwer, Du zu mir zu sagen?«
    Es fiel Matthäus schwer. Dabei hätte er so gern das Talent seiner Frau besessen, sich auf neue Situationen blitzschnell einstellen zu können. Er beneidete die Assenheimerin beinahe darum, daß sie mit der neuen vertraulichen Anrede überhaupt keine Schwierigkeiten zu haben schien. Aber sie war immer schon weniger förmlich als er gewesen, versuchte er wieder einmal den Verdacht, der in ihm aufstieg, in die Schranken zu weisen. »Du …«, sagte der Korporal folgsam, »… hast gesagt, daß schon bei früheren Auseinandersetzungen mit Polen Smolensk immer heiß umkämpft war.«
    »Stimmt, und wenn sich die Russen endlich stellen, könnten wir zum ersten Mal das tun, wozu wir in Rußland eingefallen sind – richtig Krieg führen.«
    Als ob ich Lust dazu hätte, dachte Gerter.
    Während die Männer sich ihre Informationen beschafften, überließ Juliane ihren Wagen der Obhut von Felix, der sich schon in Maliaty rührend um den kleinen Jakob gekümmert hatte. Wer weiß, vielleicht hatte er selbst einen Sohn? Alt genug war er, mindestens fünfzig. Als Juliane ihn einmal fragte, wie er denn gelebt hätte, bevor er in Gerters Dienste getreten war, zogen sich seine Augenbrauen kurz zusammen und das sonst so unbekümmerte Gesicht verfinsterte sich.
    »Das habe ich vergessen!« fertigte er sie so unwirsch ab, daß sie nicht weiter in ihn drang. Sie konnte ja Johannes fragen, da hatte sie wieder ein unverfängliches Gesprächsthema. Aber auch der Oberleutnant verriet ihr nicht mehr, als daß Felix ›ein sehr bewegtes Leben‹ geführt hätte.
    Sie hatte das dringende Bedürfnis, sich nach den langen Tagen auf dem harten Kutschbock wieder zu bewegen, und die Stadt bot eine gute Gelegenheit, sich nach Ware umzusehen. Sie lehnte Eli Abramows Angebot ab, sie zu begleiten, hängte sich eine Leinentasche um, in der sie ihre Goldpuppe verbarg, vergewisserte sich, daß die Pistole im Rock geladen war und machte sich zum Stadtzentrum auf. Vor einem stattlichen Gebäude sah sie französische Soldaten Gegenstände aus einem voll gepackten Wagen laden und sie eilte hinzu.
    Sie achtete nicht auf die Pfiffe und Rufe, die ihr galten, denn auf einmal fiel ihr Blick auf einen Ballen Stoff. Es war wunderschönes rostrotes Leinen mit kleinen gelben Blümchen und augenblicklich entstand in ihr der Wunsch, sich daraus ein Kleid zu schneidern. Plötzlich wurde sie sich dessen bewußt, daß sie schon seit Wochen das gleiche Gewand am Leibe trug, mehrfach geflickt, nur notdürftig gewaschen und völlig außer Form geraten.
    Sie ignorierte das Jucken am linken Ellenbogen, blickte auf den Stoff, und auf einmal schien nichts wichtiger zu sein, als sich daraus ein Kleid machen zu können.
    Sie faßte einen Soldaten am Arm. »Was kostet dieser Stoff?« fragte sie.
    Der Soldat schüttelte sie ab und erwiderte barsch irgend etwas auf Französisch. Wo ist jetzt bloß Matthäus, dachte sie, spricht hier denn niemand Deutsch? Aber so schnell würde man sie nicht loswerden.
    Sie trat zu dem Ballen Stoff und machte mit der Hand die Gebärde des Schneidens.
    Einige Soldaten lachten, andere wollten sie wegziehen, als vom Eingang des Hauses eine Stimme ertönte. Offensichtlich ein hochrangiger Offizier, denn sofort nahmen die Soldaten militärische Haltung an. Juliane blickte auf und sah zwischen zwei nicht besonders großen Offizieren einen noch kleineren aus dem Haus treten. Er schaute mit amüsiertem Lächeln zu ihr hin und fragte sie etwas auf Französisch.
    Hilflos zuckte sie mit den Schultern und antwortete auf deutsch: »Wieso könnt ihr Franzosen nicht verstehen, daß ich ein neues Kleid brauche!«
    Einer der beiden Offiziere beugte sich zu dem kleineren Mann hin und schien ihm ihre Worte zu übersetzen, denn kurz darauf trat er vor sie und forderte einen Soldaten auf, den Stoff auszurollen.
    »Wieviel brauchst du für ein Kleid?« fragte ein Offizier in makellosem Deutsch mit leicht rheinischem Einschlag.
    »Fünf Ellen«, sagte sie aufs Geratewohl und sah erstaunt, wie ein Soldat ihr das Gewünschte abmaß.
    Sie griff in ihre Leinentasche.
    »Wieviel?« wandte sie sich an den rheinländischen Offizier und verstand nicht, daß alle plötzlich in Lachen ausbrachen. Der kleine Offizier, den sie bereits als den

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