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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Stiefel waren aus weichstem Kalbsleder und glänzend frisch gewienert. Er sah eher aus, als würde er sich zum Bankett begeben als auf eine Baustelle. Mit wogendem Schnurrbart blickte er sich zufrieden im Vorhof um, als würde die gesamte Burg ihm gehören. Nach einer Weile standen sämtliche deutschen Bauarbeiter sauber in Reih und Glied, während die Italiener noch fröhlich rufend und gestikulierend durcheinander liefen. Guerini schien das Durcheinander seiner Leute überhaupt nicht zu interessieren. Etwas ganz anderes hatte seine Aufmerksamkeit gefesselt. Seine Blicke galten einer grün gekleideten Frauengestalt, die an einem der oberen
Schlossfenster aufgetaucht war und lächelnd das Treiben im Vorhof beobachtete. Guerini richtete sich zu seiner vollen Größe von einsfünfundvierzig auf, schwenkte elegant die Rolle mit seinen Architektenzeichnungen und machte mit ausgesuchter Höflichkeit einen Kratzfuß. Seine Lippen formten dabei lautlos das Wort »Bellissima«. Die Frau in Grün dankte für den Gruß mit einem kaum merklichen Neigen des Kopfes, dann verschwand sie zur nicht geringen Enttäuschung des Baumeisters vom Fenster. Guerini wandte sich notgedrungen wieder seiner Aufgabe zu, die italienischen Handwerker zu disziplinieren, und tatsächlich gelang es ihm nach einigen Minuten, seine Leute zur Aufstellung zu bringen und abzuzählen.
     
    Barbara trat aus ihrer Fensternische zurück. Der italienische Baumeister brachte sie jeden Morgen zum Schmunzeln, wenn er sie mit solch fulminanter Grandezza begrüßte. Die Markgräfin war für den Frühgottesdienst gerichtet. Sie trug ein Kleid in ihrer Lieblingsfarbe mit modisch eng geschnittenem Mieder, das ab der Taille in großzügige Falten überging, die bis zum Boden flossen. Seit dem Ende ihrer Gefangenschaft in der Vogtei vor mehr als zwei Jahren hatte sie sich verändert: Ihr Gesicht und ihre Figur waren wieder voller geworden und die Blässe war einer gesunden Hautfarbe gewichen. Nach der Auflösung ihrer Verlobung mit Heideck war sie zum
eigenen Erstaunen nicht vollends im Unglück versunken, sondern sie hatte schon bald zu einer stillen Ruhe gefunden, die sie als Erleichterung empfand. Der Kampf, den sie nicht hatte gewinnen können, war vorüber.
    Sofort nach der Lösung des Verspruchs hatte man ihr freigestellt, die Vogtei zu verlassen. Sie hatte noch am selben Tag ihre wenigen Habseligkeiten gepackt und war mit den beiden Zofen von dort ausgezogen. Nachdem die alten Kemenaten gerade auf Albrechts Anordnung abgerissen worden waren, musste sich die Markgräfin ein anderes Domizil suchen. Sie entschied sich für drei größere Räume, die bis dahin als Gästezimmer für den gebirgischen Adel gedient hatten. Einer davon hatte eine großzügige Fensternische und ein wunderschön mit Ranken und Jagdszenen bemaltes Tonnengewölbe. Beherrscht wurde es von einem riesigen Kamin, in dem auf einer Seite Platz genug war, um im Winter einen Lehnstuhl hineinzustellen. Die anderen beiden Räume waren etwas kleiner und eigneten sich als Schlafgemächer. Barbara ließ die wenigen Möbel des alten Frauenzimmers herüberschaffen: ein herrschaftliches Himmelbett mit roten Samtvorhängen, zwei kleinere Betten für ihre Dienerinnen, etliche Truhen, Stühle, Schemel und einen Tisch. Aus der Wäschekammer kamen schwere Vorhänge für die Fenster und mehrere Wandteppiche sowie blau gestreiftes Bettzeug, drei rote Damastdecken
und zwei grüngoldene Polster für die Sitze in der Fensternische. Die Silberkammer lieferte einen sechsflammigen Kandelaber und zwei Röhrenleuchter, von denen einer an der Wand befestigt wurde, mehrere gestanzte Becher und eine Weinkaraffe auf einem Tablett. Ein Vorrat an Talgkerzen und Kaminholz wurde gebracht, außerdem drei Nachttöpfe, weil die Zimmer kein »heimliches Gemach« hatten. Nachdem auch noch der Boden mit frischem Stroh und Spänen geschüttet war, zogen die drei Frauen ein.
    Barbara genoss das Ende ihrer Gefangenschaft, wenn sich auch ein Wermutstropfen in ihre Freude mischte. Sie war inzwischen über dreißig, unverheiratet, hatte ihr Erbe verloren und war auf die Familie angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Es gab nicht mehr die Herzogin von Groß-Glogau, nicht mehr die Königin von Böhmen. Es gab nur noch die Markgräfin von Brandenburg, die vom Wohlwollen ihrer Brüder leben und sich damit abfinden musste, nie mehr frei und unabhängig zu sein.
    Die Plassenburg zu verlassen war ihr weiterhin untersagt. Am liebsten

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