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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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ihr gehörten noch eine Kapellstube, in der die Geistlichen die Messe vorbereiten konnten, und eine kleinere Kammer, in der man Bücher, Altartücher, Kerzen und dergleichen aufbewahrte.
    Der neue Kaplan betrat die Kapelle und bekreuzigte sich. Er setzte sich in die hinterste Bank, die unterhalb der Fürstenempore stand, schaute sich um und ließ den Raum auf sich wirken. Zwölf dunkle Holzbänke mit geschnitzten Seitenteilen standen in einer Reihe
auf den glänzend ausgetretenen Steinplatten des Fußbodens und boten Platz für die Gläubigen. Die Wände waren mit einfachen sakralen Malereien bedeckt; etwas verblichen durch die Feuchtigkeit zeigten sie verschiedene Szenen aus dem Neuen Testament. Durch die quadratischen Glasfenster drang nur wenig grünlich gefärbtes Licht nach innen, sodass die Kapelle in ein angenehmes, fast mystisches Halbdunkel getaucht war. Der Altar, ein kleines Triptychon, zeigte das Kreuzigungsmotiv in der Mitte, die Auferstehung auf dem linken und das Jüngste Gericht auf dem rechten Flügel, insgesamt ein eher bescheidenes Kunstwerk von geringem Rang. Dennoch, zu viel Prunk war der Feind jedes aufrichtigen Glaubens, und gerade die Einfachheit der Kapelle rührte Tiefenthaler an. Er spürte, wie Ruhe in ihm einkehrte. Jakob Tiefenthaler war am Ort seiner Bestimmung angekommen.
    Ein Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken, und er sah nach oben. Von der Empore aus drang ein schwacher Lichtschein in den Raum. Tiefenthaler suchte nach dem Treppenaufgang, raffte die Röcke und stieg langsam hinauf. Droben flackerte das unstete Licht einer Talglampe. Es wurde vervielfältigt durch eine einfache wassergefüllte Schusterkugel, die darüber aufgehängt war, und beleuchtete ein ungewöhnliches Arrangement. Ganz vorn am Geländer saß auf einem dreibeinigen Hocker ein junger Mann, feingliedrig und dunkel, die Ärmel hochgekrempelt, mit einem
Pinsel in der einen und einem kleinen Lederkissen in der anderen Hand. Neben ihm standen etliche Utensilien: ein Topf mit einer Mischung aus fein geriebener Bologneser Kreide und Hasenhautleim, ein Gefäß mit Bienenwachs und Terpentin, das über einem brennenden Öllämpchen auf einem Dreifuß stand, außerdem ein Haufen weiche Tücher und etliche Werkzeuge.
    Tiefenthaler räusperte sich leise und riss damit den Künstler aus seiner Konzentration. Lorenzo Neri sprang auf, nur um sofort wieder in die Knie zu sinken und den Saum des Priestergewands an seine Lippen zu drücken.
    »Salve, Padre – segnet mich und mein unwürdiges Werk, Vater.«
    Tiefenthaler machte lächelnd das Zeichen des Kreuzes. »Ich bin Vater Jakob Tiefenthaler, der neue Schlosskaplan. Wer seid Ihr, und was macht Ihr da?«
    Der Italiener nahm Pinsel und Kissen wieder auf, stellte sich vor und begann zu erklären.
    »Lorenzo Neri ist mein Name, und ich bin Maler aus Italien. Ich vergolde das gedrechselte Geländer der Fürstenempore, Padre.«
    »Damit der Markgraf Albrecht und seine Schwester so recht prächtig dastehen vor dem lieben Gott.« Tiefenthaler konnte sich die zynische Bemerkung nicht verkneifen.
    »Ma no, Padre, da tut Ihr der Markgräfin Unrecht.
Ihr Bruder ist ein schlechter Mensch, das stimmt, aber sie – sie ist ein Engel. Alle reden nur Gutes von ihr. Ich habe sie selber schon kennen gelernt: eine gescheite und wunderbare Frau.«
    »Nun, wir werden sehen.« Tiefenthaler wandte sich zum Gehen. »Ich will Euch nicht länger von Eurer Arbeit abhalten, mein Freund. Und nichts für ungut für meine Bemerkung vorhin. Die Kunst hat ihre ganz eigene Berechtigung. Sie spricht den Menschen dort an, wo die Worte enden.«
    »Davvero, Padre, das ist schön gesagt.«
    Tiefenthaler verabschiedete sich. Er wollte sich noch in Ruhe Gedanken über seinen ersten Gottesdienst in der Burgkapelle machen und ließ sich das Abendessen ins Pfaffenhaus bringen. Noch spät abends, als der Vogt seinen letzten Rundgang durch den Schlosshof machte, brannte dort das Licht.
     
    Am nächsten Morgen erwachte Tiefenthaler schon vor Sonnenaufgang aus einem unruhigen, von wirren Träumen durchsetzten Schlaf. Er zog das dunkle Priestergewand an, aß die Reste seines Abendessens und ging mit der ersten Dämmerung in die Kapelle. Die Strahlen der Morgensonne wurden durch die grünlichen Glasscheiben gebrochen. Sie flimmerten goldgrün und fielen schräg auf die Kirchenbänke; im Licht tanzten Millionen Staubkörnchen. Einer der Sonnenstrahlen traf auf eine kleine geschnitzte Madonna
mitten an der Längswand, die ihm

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