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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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sich geändert! Trotzdem, eine Liebesgeschichte in so jungen Jahren würde den hoffnungsvollen Kollegen von seiner Berufung ablenken. Eine Frau würde ihm unweigerlich das Feuer rauben, mit dem er sich für den neuen Glauben einsetzte, würde ihn zu einem braven Stubenhocker und Kindsvater machen, und dafür war der begabte Tiefenthaler einfach zu schade. Der lutherische Glaube brauchte jetzt mehr denn je Männer, die ihre ganze Leidenschaft in den Dienst der Sache stellten und nicht im Bett eines Weibes auslebten. Deshalb war Eck die Nachricht vom Tode des alten Burgkaplans Körber gerade recht gekommen. Er sprach sich für einen guten Bekannten, den soliden Pfarrer Georg Thiel aus Joachimsthal, als Körbers Nachfolger aus, wohl wissend, dass dieser erst in einigen Monaten von dort abkömmlich sein würde. Derweil empfahl er seinen jungen Kollegen als kommissarischen Schlosskaplan. Eine längere Zeit der Abwesenheit Tiefenthalers aus der Stadt würde das Mütchen der jungen Weiber schon kühlen, und dann würde man weitersehen.
    So kam es, dass Jakob Tiefenthaler an diesem verregneten Novembertag seinen Dienst auf der Plassenburg antrat. Die Hintergedanken, die Eck bei dieser Regelung gehegt hatte, waren ihm verborgen geblieben. Er hatte die Zuneigung, die manche Kulmbacherinnen ihm offen entgegenbrachten, überhaupt nicht registriert, ihre Blicke nie bemerkt, und der Gedanke daran, irgendwann einmal eine Bindung einzugehen, so wie es Luther vorgemacht hatte, war ihm noch nie gekommen. Ja im Gegenteil, noch im letzten Jahr seiner Priesterausbildung hatte er, erfüllt von Begeisterung und Gottesglauben, das Gelöbnis getan, sich der körperlichen Liebe lebenslang zu enthalten. Letztendlich war Tiefenthaler nur an einem interessiert: dem neuen Glauben so gut wie möglich zu dienen. Er wollte all seine Kraft in seine erste Pfarrstelle einbringen und seine Aufgabe mit den Möglichkeiten, die er hatte, gut erfüllen.
     
    »Da wären wir, Hochwürden.« Der Burgvogt, der Tiefenthaler schon am unteren Burgtor in Empfang genommen hatte, schloss die Tür der Kaplanswohnung in der Nordostecke des Schlosshofes auf. Diese lag im ersten Stock des so genannten Pfaffenhauses und war über eine Außentreppe erreichbar.
    Nachdem der Vogt gegangen war, warf Tiefenthaler seine Regendecke über einen wackligen Stuhl und zog seine triefenden Kleider aus. Von dem Holzgestell,
das neben der mit glühenden Kohlen gefüllten Gusseisenpfanne stand, holte er sich ein gestreiftes Leintuch und rubbelte sich damit am ganzen Körper ab, bis sich die Haut rötete und ihm wieder warm wurde. Gerade wollte er zu einer der Decken greifen, um sich darin einzuwickeln, bis seine Kleider trocken waren, als es klopfte und die Tür mit Schwung aufging. Es war Hans, der Küchenjunge, der ein Tablett mit Wein und Brot brachte. Wie vom Donner gerührt blieb er unter dem Türstock stehen und schaute mit weit aufgerissenen Augen auf den neuen Kaplan, der dastand, wie Gott ihn geschaffen hatte. Hans lief puterrot an und brachte kein Wort heraus. Tiefenthaler musste an sich halten, um nicht laut herauszulachen, und grinste den Essensträger aufmunternd an, während er sich die Decke umschlug.
    »Na, mein Junge, komm nur herein, oder hast du noch nie ein nacktes Mannsbild gesehen?«
    »Das schon, Hochwürden, aber noch nie einen nackten Schlosspfaffen!«
    Hans hatte sich schnell wieder gefasst und war, wie immer, um Worte nicht verlegen. »Die Markgräfin Barbara schickt mich. Ich soll Euch herzlich willkommen heißen.«
    »Oh, die Markgräfin.« Tiefenthaler nahm dankbar einen Schluck Wein. »Sie soll klug und schön sein, sagen die Leute.«
    »Klug bestimmt. Meine Schwester – die ist schon
lange ihre Hofjungfer – hat mir erzählt, dass sie oft den ganzen Tag in Büchern liest, stellt Euch vor! Aber schön?« Hans zuckte mit den Schultern. »Mir wär sie zu alt!«
    Ein Pfiff schrillte durchdringend über den Burghof, und Hans zog merklich den Kopf ein.
    »Au weh, das ist mein Meister. Jetzt muss ich mich aber sputen. Heute ist nämlich Einmachtag, da hab ich eine Menge zu tun.«
    Tiefenthaler entließ den Jungen mit einem Augenzwinkern. »Geh nur. Und morgen sehe ich dich pünktlich bei der Frühmesse!«
    Hans rollte die Augen zum Himmel und gab Fersengeld. Pfaffen!
     
    Eine Stunde später stieg Tiefenthaler die Treppe zum Hof hinunter und machte sich auf den Weg zur Burgkapelle. Diese befand sich im Ostteil des Hochschlosses nicht weit vom Pfaffenhaus; zu

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