Die Markgräfin
durcheinander redeten. Das Kaminfeuer und die Kerzen, die in den Wandhaltern flackerten, tauchten die Gesichter in ein warmes, rötliches Licht und warfen vielfältige Schatten an die Wand. Im Zimmer war es mollig warm, sodass Tiefenthaler seine Kutte ablegte und die oberen Knöpfe seiner Soutane öffnete.
»Vater Kaplan, erzählt uns doch auch eine Geschichte«, bat Susanna, die vom Wein schon recht beschwingt war. »Etwas Lustiges, wenn’s beliebt!«
»Also, wenn Ihr meint … « Tiefenthaler schmunzelte und ließ sich nicht lange bitten. Aus seiner Zeit in Wittenberg waren ihm noch etliche Episoden im Gedächtnis – er und seine Mitstudenten der Theologie waren keine Kinder von Traurigkeit gewesen und hatten oft genug auf Kosten ihrer Lehrer oder Wirtsleute Schabernack getrieben. Während er plauderte, fiel die anfängliche Scheu von ihm ab, und er genoss das fröhliche Zusammensein zusehends.
» … und heute ist der üble Vielfraß Kanonikus zu Würzburg«, schloss er seine Anekdote. »Ab und zu schreibe ich ihm und erinnere ihn daran, wie wir die ganze Nacht eingesperrt in der eiskalten Speisekammer seiner Hauswirtin zugebracht haben. Ich glaube, er hat seitdem kein gebratenes Hühnchen mehr angerührt.«
Barbara legte den Kopf in den Nacken und lachte lauthals. Er sah sie von der Seite an, und das Herz ging ihm über – wie schön sie doch war, wenn ihre Augen vor Freude sprühten. Eine nie gekannte Zärtlichkeit überkam ihn, und er begann zu wünschen, dass dieser Abend nie zu Ende gehen möge.
Käthas Stimme holte ihn aus seiner Versunkenheit. »Herrin, Ihr habt doch versprochen, uns von dem bösen König Heinrich zu erzählen – Ihr wisst schon, der mit den vielen Ehefrauen, die er alle umbringen hat lassen!«
»Nicht alle, Kätha, nur drei davon. Nun gut, wenn ihr die traurige Geschichte hören wollt … «
Alle stimmten zu.
»Ich erzähle euch also von Heinrich Tudor, König von England, der grausam seine Frauen verstoßen, eingekerkert und hingerichtet hat … «
Ihre vier Zuhörer lauschten fasziniert, litten mit Katharina von Aragon, die dem König keinen Sohn schenken konnte, seufzten über die Hinrichtung von Anna Boleyn, die ihren Mann betrogen hatte, und
trauerten um Katharine Howard, die unschuldig, nur wegen des Verdachts der Untreue, im Londoner Tower enthauptet wurde.
»Fast nicht zu glauben, dass ein so gnadenloser Mann wie Heinrich der Achte eines der schönsten höfischen Liebeslieder unserer Zeit geschrieben hat«, meinte Tiefenthaler.
»Welches denn?« Susanna war neugierig.
»Kennt Ihr nicht das Lied von der Dame mit den grünen Ärmeln, die ihren Liebhaber so stolz und hartherzig behandelt?«
Allgemeines Kopfschütteln. Der Kaplan räusperte sich und begann mit angenehmer, leicht rauchiger Stimme zu singen:
»Ach Lieb, wie Unrecht tust du mir,
du stößt mich fort so kalt und hart.
Mein Herz brennt lang schon aus Lieb’ zu dir,
ich sehn mich nach deiner Gegenwart.«
Lorenzo Neri griff nach seiner Laute und schlug ein paar Akkorde an. Schnell konnte er den Refrain mitspielen: »Sie nur war all mein Glück – die Frau mit den grünen Ärmeln.«
»Ihr habt Recht, das ist ein wunderschönes Lied.« Barbara hatte sich von Tiefenthalers Stimme und der zarten Melodie verzaubern lassen.
»Nicht wahr?« Tiefenthaler sah sie lächelnd an.
»Ich hab es von einem Freund gelernt, einem Engländer, der in Wittenberg Vorlesungen gehört hat. Er hat mir die Worte übersetzt.«
Sie hielt ihm einen Becher hin. »Nehmt und trinkt mit uns auf den schönen Abend.«
Er griff zu. Ihre Hände berührten sich, und ein Funke sprang über. Ein köstliches, nie gekanntes Vibrieren ergriff Fingerspitzen, durchschoss Adern wie ein prickelnder Strom, setzte sich fort in den Tiefen zweier Körper. Keiner wagte, den anderen anzusehen, aus Angst, sich mit Blicken zu verraten. Barbara konnte ihre Finger nicht von den seinen lösen, es war, als sei sie magnetisch mit ihm verbunden. Alles Spüren, alles Fühlen, alle Intensität, zu der zwei Menschen fähig waren, lag in diesem Moment.
Schließlich zwang sich Tiefenthaler, seine Hand von der ihren zu lösen und ihr den Becher abzunehmen.
Die anderen hatten offensichtlich nichts bemerkt. Susanna und Lorenzo plauderten lebhaft weiter, und Kätha schluckte eine kandierte Kirsche hinunter. »Ich kenne auch ein Liebeslied«, meinte sie, »meine Amme hat es mir früher immer vorgesungen. Es ist uralt und stammt von einem berühmten Minnesänger, den
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