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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Schlossberg hinauf. Alte, Kranke, Kinder, Schwangere und Wöchnerinnen blieben zurück, versteckten sich verzweifelt in Bierkellern und Taubenschlägen oder suchten in der Kirche Zuflucht. Feuer loderten in der ganzen Stadt, als die bundesständischen Landsknechte schließlich plündernd, raubend, vergewaltigend und mordend in Kulmbach einfielen.
     
    »Die Tore auf!«
    Die Stimme des Hauptmanns gellte über den Schlosshof, und sein Befehl wurde von den Hauptleuten seiner Söldner bis zum Unteren Haupttor weitergegeben. Männer sprangen bei, um den beiden Torwarten zu helfen, die Rammbalken zu entfernen. Kaum waren die schweren, eisenbeschlagenen Flügel, die außen mit dem Zollernadler verziert waren, schwerfällig nach innen geschwungen, als auch schon die ersten Verteidiger der Stadt eilig in den äußeren Vorhof hineindrängten. Hinter den Landsknechten bewegte sich eine Flut von schreienden und jammernden Flüchtlingen auf den Eingang zur Burg zu, Männer, Weiber, Kinder, manche mit Sack und Pack, andere mit nichts als dem, was sie auf dem Leib trugen.
Und wieder gellte der Befehl des Hauptmanns: »Tore schließen!«
    Die Markgräfin hatte den Fall der Stadt von einem der Turmfenster aus beobachtet. Sie stand reglos und nur von einer Decke gegen die klirrende Kälte geschützt da; der Wind trug schwarzen Rauch, Funken und Rußpartikel bis zu ihr hoch. Sie hätte nicht sagen können, ob die Tränen in ihren Augen vom beißenden Rauch kamen oder ob sie vor Kummer und Entsetzen weinte. Barbara sah, wie die fliehenden Stadtbürger auf die Burg zuliefen wie ein wimmelnder Ameisenzug, sie hörte ihre Schreie und die derjenigen, die noch in der Stadt waren und entweder den Flammen oder den wütenden Soldaten zum Opfer fielen. Als sich das Untere Tor wieder zu schließen begann, glaubte Barbara ihren Augen nicht zu trauen. Die Torwarte kämpften gegen die anstürmende Menge, die in grenzenloser Angst sich gegen die Flügel stemmte, und wichen zurück. Diejenigen Flüchtlinge, die sich nach vorne gekämpft hatten, hatten das Glück, noch ins Innere der Burg zu gelangen; es waren vielleicht zwei- oder dreihundert. Dann aber kamen den Torwarten Landsknechte zu Hilfe und drückten mit vereinten Kräften das Tor zu. Die dagegen ankämpfende Menge kreischte und heulte in Todesangst; Verzweifelte trommelten mit den Fäusten gegen das Tor, andere brachen weinend auf dem Weg zusammen und flehten um Einlass.
    Barbara rannte. Mit flatternden Gewändern überquerte sie den Schlosshof. Überall lief das Gesinde aufgeregt durcheinander. Die meisten von ihnen hatten Familie in der Stadt, ihre Eltern, Frauen und Kinder. Ein alter Knecht stand mit hängenden Armen neben dem Brunnenhaus, die Tränen liefen ihm übers Gesicht. Die Markgräfin packte den Kommandeur der Bankriesen, einen breitschultrigen, narbengesichtigen Kulmbacher, am Arm.
    »Bernhard, wieso sind die Tore zu?« Ihr Atem ging schwer.
    Der hartgesottene Kämpfer biss sich auf die Lippen. »Befehl des Hauptmanns, Euer Gnaden.«
    »Aber die Leute müssen doch herein!«
    »Herrin, meine alte Mutter ist irgendwo da draußen, und ich gäb meinen rechten Arm dafür, sie hereinzuholen. Ihr könnt mir glauben, dass das die schlimmste Stunde meines Lebens ist.«
    »Dann befehlt Euren Bankriesen zu öffnen!« Barbara schrie ihn fast an.
    »Es hat keinen Sinn.« Der Kommandeur schüttelte müde den Kopf. »Hunderte von Landsknechten stehen hinter den Toren. Die werden zu verhindern wissen, dass noch mehr Menschen aufs Schloss kommen. Dagegen können meine Leute nicht an.«
    »Wo ist der Hauptmann?«
    Der Bankriese spuckte aus und deutete nach oben auf das oberste Stockwerk des Nordflügels. »Droben
in einem der Wachräume für die Türmer. Von dort hat er freien Blick auf die Stadt und den Burgberg. Da kann er am besten beobachten, wie die Leute rund ums Schloss verrecken.«
     
    Barbara fand Georg von Leuchtenberg mit einer Weinflasche in der Hand am Fenster der Türmerstube. Vor ihm auf dem Sims stand eine Platte mit geräucherten Neunaugen und Erbsenmus. Der Hauptmann sah die Markgräfin kommen und machte eine einladende Bewegung.
    »Ah, meine Liebe, möchtest du auch die schöne Aussicht genießen? Nur heran.«
    »Lass sofort die Tore aufmachen!«
    Die Markgräfin trat zu ihm und roch den Weindunst. Sie ballte die Fäuste.
    »Bärbel, wie stellst du dir das vor? Sollen wir ganz Kulmbach hereinlassen? Zweitausend Köpfe mehr auf der Burg, zusätzlich zu den siebenhundert

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