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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Albrecht auf den knienden Eyb herunter, der sich mit beiden Händen vor ihm aufstützte, und lächelnd trat er ihm mit dem Absatz seines Stiefels auf die Hand mit dem gebrochenen Daumen.
    Eyb heulte auf und wand sich unter Albrechts Tritt. Der Markgraf hob den Fuß und beobachtete immer noch lächelnd, wie sich Eyb stöhnend über der verletzten Hand krümmte.
    »Ihr wollt es doch nicht wirklich darauf ankommen lassen, Eyb. Es gibt viele Möglichkeiten, Euch zum Sprechen zu bringen. Ein peinliches Verhör würde Euch nicht gut tun.«
    Der Ratsherr hob den Kopf und sah Albrecht ins Gesicht. In seinem Blick lag blanke Angst. Er fing an, am ganzen Körper zu beben. Langsam wie in Zeitlupe verzerrte sich sein breitlippiger Mund zu einer Mitleid heischenden Grimasse; in seinen Augen sammelte sich Wasser.
    Albrecht schob ihm einen Schemel hin.
    »Wollt Ihr jetzt reden?«
    Eybs rappelte sich mühsam hoch und sackte auf dem Hocker in sich zusammen. Seine Schultern zuckten. Der Ratsherr fing leise an zu schluchzen.
    Nach einer Stunde wussten die beiden Markgrafen alles, was sie wissen wollten.
     
    Zwei Wochen später in aller Herrgottsfrühe brach Markgraf Albrecht mit fürstlichem Gefolge von Ansbach auf. Ziel des Zuges war die Kulmbacher Plassenburg; allerdings hatte der Markgraf Befehl erteilt, den Weg über Neustadt an der Aisch zu nehmen.
    Langsam schlängelte sich die Reisegesellschaft an Nürnberg vorbei, machte Station auf der Cadolzburg und bewegte sich auf den Aischgrund zu. An die siebzig berittene Hofdiener begleiteten den Markgrafen, alle auf gerüsteten Pferden. Ein Wagen stand unter besonderer Bewachung durch bewaffnete Söldner. Er trug die Albrecht zustehende Hälfte des zollerischen Familienschatzes – Schmuck und Kleinodien, das massive, vergoldete Silbergeschirr und nicht zuletzt Albrechts Anteil am »Eingehörn«. Dabei handelte es sich um einen äußerst seltenen, gezwirbelten Narwalzahn, dem – neben den üblicherweise als Heilmittel benutzten Edelsteinen – besonders wundersame Heilkräfte zugeschrieben wurden. Ein einziges Exemplar war zigtausend Gulden wert. Das zollersche Familienstück wurde gehütet wie ein Schatz. Es war in den drei Jahrzehnten, die es schon im Hausbesitz
war, bereits um ein Erkleckliches reduziert worden – bei einer Krankheit oder sonstigen Notfällen schabte man eine Winzigkeit davon ab und verabreichte das Pulver dem Kranken. Albrecht hatte wegen seines notorisch schlechten gesundheitlichen Befindens darauf bestanden, immer seinen Anteil am Eingehörn mit sich zu führen. Deshalb war es bei der Erbteilung unter den wachsamen Augen der beiden Markgrafen in zwei Hälften zersägt worden.
    Als die Neustädter Residenz in Sicht kam, sprengte Albrechts Leibwache voraus, um den Hof für die Wagenkolonne räumen zu lassen. Die Holzräder der Wagen und Karren machten einen ohrenbetäubenden Lärm auf dem Kopfsteinpflaster, während der Zug das Doppeltor passierte und in den Hof einrollte.
     
    Barbara stand am Fenster ihrer Kemenate und hielt den schweren Damastvorhang zur Seite gezogen. Als sie den Lärm im Hof hörte, war sie von ihrer Stickerei aufgesprungen und zur Fensternische gelaufen. Jetzt sah sie ihren Bruder Albrecht an der Spitze seiner Mannschaft einreiten. Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Moment – sie glaubte etwas wie ein triumphierendes Aufblitzen zu bemerken –, dann saß der Markgraf ab und verschwand durch die große Pforte im Südflügel.
    Muttergottes, was hatte er jetzt wieder vor? Was konnte er ihr noch antun? Ihre Dispens hatte er inzwischen
sicherlich zum Scheitern gebracht, ihre Heiratsabsichten waren so gut wie zunichte, und weder vom Eyb noch von Abt Sebald von Heilsbronn hatte sie irgendetwas gehört.
    In den letzten Wochen hatte sie fast jede Hoffnung aufgegeben. Sie hatte sich beinahe schon an den Gedanken gewöhnt, in der Neustädter Residenz zu bleiben und sich auf Dauer ihr kleines Reich in der Frauenkemenate einzurichten. Sie hatte sogar ernsthaft darüber nachgedacht, sich mit ihren Brüdern zu vergleichen, den Gedanken aber wieder verworfen – zu Albrecht führte kein Weg zurück.
    Als es nun an der Tür des Frauenzimmers klopfte, erwartete sie ihren Bruder, und ihre Anspannung wuchs. Sie setzte ihr Häubchen auf und stopfte die langen Haare darunter – schließlich, und darüber musste sie beinahe lachen, war sie eine verheiratete Frau. Hastig strich sie sich die letzten Locken aus der Stirn und stand stocksteif. Haltung,

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