Die Markgräfin
Frauenzimmer watschelte, einen Stapel Tücher im Arm. Die alte Amme erkannte sofort, dass Barbara verzweifelt war.
»Mariaundjosef, Bärbel, was ist dir?«
Sie warf die Tücher hin und fasste die Markgräfin an beiden Händen. Das war mehr, als Barbara ertragen konnte. Sie setzte sich weinend auf den nächsten Fußschemel und zog dabei die Martsch mit auf den Strohboden.
»Er bringt mich auf die Plassenburg, Martsch, er sperrt mich ein und lässt mich dort … «
Sie klammerte sich an die alte Dienerin, der ebenfalls die Tränen in die Augen kamen.
»Ich hab’s gewusst, es geht nicht gut, heilige Muttergottes, ich hab’s gewusst. Kindchen, du musst jetzt stark sein; du musst aushalten, die Burg ist gewiss nicht auf ewig. Das kann der Albrecht nicht, seine eigene Schwester als Gefangene halten – die Verwandtschaft wird sich rühren und der Abt von Heilsbronn. Wart’s nur ab, bestimmt! Bist ja nicht allein; ich komm mit dir, deine alte Martsch. Alles wird sich mit der Zeit finden, glaub’s mir!«
Barbara fühlte sich von aller Kraft verlassen. Sie ließ sich von der alten Martsch wiegen wie ein Kind, in einem Schwall von tröstenden Worten geborgen,
mit dem die Amme sie schon als Säugling beruhigt und in den Schlaf geschaukelt hatte. Ihr Hündchen, ein Sohn der alten Bless, die vor einem halben Jahr an Altersschwäche eingegangen war, trabte und hopste aufgeregt um die am Boden kauernden Frauen herum und stupste japsend seine kalte Schnauze abwechselnd gegen Barbaras Arm und das gut gepolsterte Hinterteil der Amme.
Nach einer Weile hörte Barbara auf zu weinen, stand auf und half der Martsch hoch. Die zog ein Taschentuch aus dem Ärmel und reichte es der Markgräfin, die sich geräuschvoll schnäuzte.
»Komm, Martsch.« Ihre Stimme klang dünn und leise. »Lass uns das bisschen packen, was uns gehört. Anderes bleibt uns wohl nicht.«
Am Morgen des nächsten Tages wartete der Reisetrupp des Markgrafen im Neustädter Schlosshof. Die Ein- und Mehrrosser hatten schon aufgesessen und hielten ihre aufgeregt tänzelnden Pferde zurück, alle Kutscher saßen auf ihren Böcken. Der Markgraf stand in der Mitte des Hofes neben dem Ziehbrunnen und unterhielt sich angeregt mit dem Neustädter Vogt und dem Silberknecht, der gerade die Kisten mit dem Tafelgeschirr aufladen ließ.
Barbara betrat die Schlossfreiung vom Südflügel aus, unsicheren Schritts und mit tiefen Ringen unter den Augen. Sie hatte in der vergangenen Nacht kaum
geschlafen. Fröstelnd zog sie ihren grauen Reiseumhang fester zu und sah sich suchend um, während hinter ihr die Martsch aus der Tür trat, das Hündchen auf dem linken, ein Bündel unter dem rechten Arm. Als die Reiter und Wagen sich zur Ausfahrt formierten, kam Christoph von Guttenberg dienstbeflissen auf die Markgräfin zu.
»Eure Kutsche steht dort drüben, Euer Liebden.«
Ein widerwärtig freundliches Lächeln stand ihm im Gesicht. Er griff Barbara unter den Ellbogen und führte sie quer über den Hof zu einem kleinen Wagen mit zugezogenen Vorhängen, der von zwei stämmigen Braunen gezogen wurde. Mit beinahe elegantem Schwung öffnete er den Schlag.
»Guttenberg, ich möchte vorher mit meinem Bruder, dem Markgrafen reden; ich bitt Euch, erweist mir den Dienst und führt mich zu ihm.«
»Leider, gnädige Herrin, habe ich Anweisung, Euch direkt zu Eurem Wagen zu geleiten; der Markgraf Albrecht, so teilte er mir mit, wünscht kein Zusammentreffen mit Euch.«
Barbara schaute sich nach ihrem Bruder um und erspähte ihn auf seinem großen Schimmel, Anweisungen rufend und wild gestikulierend. Eindrucksvoll sah er aus in seiner Soldatenkluft, die rötlichbraunen langen Haare den Rücken herab und den gelockten Bart in zwei Spitzen geteilt. Wie immer war er von ungesunder Blässe, aber die Energie, die ihm trotz
seiner häufigen Krankheiten zu Eigen war, teilte sich jeder Bewegung seines Körpers mit. Er bemerkte seine Schwester mit einem kurzen, abfälligen Blick und riss sofort die Zügel herum, um sich abzuwenden.
Barbara erkannte die grenzenlose Verachtung, mit der er sie gemustert hatte, und gab sofort jeden Plan auf, mit ihm zu reden. Sie nahm das letzte bisschen Stolz zusammen, straffte den Rücken, raffte die Röcke und stieg in die Kutsche, die ihr zugedacht war. Hinter ihr wackelte die Martsch auf das Gefährt zu und machte Anstalten einzusteigen, als sie auf einen Wink Guttenbergs von zwei Söldnern zurückgehalten wurde.
»Die Königin von Böhmen reist ohne
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