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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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das Tier mit Schenkeln und Gewichtshilfen, denn er brauchte beide Hände, um mit dem Schwert nach links und nach rechts zu hauen. Gestalten tauchten vor und neben ihm auf wie Schemen, kreischten mit aufgerissenen Mündern, griffen an, fielen blutig und verstümmelt zu Boden. Die Spitze eines Schwertes schlitzte ihm den Lederärmel auf, ein Pfeil zischte mit pfeifendem Sausen nah an seinem Ohr vorbei. Rings um ihn waren ebenfalls Reiter, die sich verbissen ihren
Weg suchten bis vor eine Senke, in der die markgräflichen Fußknechte vom Feind eingeschlossen und in arger Bedrängnis waren. Das Klirren von Schwertklingen übertönte das Hufgetrappel. Dreck und Steine spritzten, wo die Kriegsrösser galoppierten. Kampfrufe, schrille Todesschreie und das Stöhnen von Verwundeten erfüllten die Luft. Es stank nach Blut, Kot und Urin.
    Die Pistolenreiter sammelten sich, es waren noch sechsundzwanzig von den dreißig, die losgeritten waren, um die Eingeschlossenen zu entsetzen. Der junge Reiter zog wie die anderen seine schwere Luntenschlosspistole aus dem Halfter. Er versuchte, sein Pferd so ruhig wie möglich zu halten, um die Kugel in den Lauf zu stecken, nachzustopfen und dann den Hahn mit beiden Händen zurückzuziehen. Weil seine Hände vor Anstrengung zitterten und schweißnass waren, glitten seine Finger mehrmals ab, bevor ihm das Spannen gelang. Keuchend hob er die Pistole, nahm einen der feindlichen Soldaten ins Visier. Durchatmen, Befehl abwarten, abdrücken. Das Faustrohr, ein teures Stück aus einer renommierten Nürnberger Waffenschmiede, zündete sicher und sofort, als der Hahn auf den Zündschwamm niedersauste.
    Das Kampfgetümmel erstarrte einen Moment, als alle sechsundzwanzig Pistolenreiter ihre Ladung auf einmal abfeuerten. Dann brach in der Senke Chaos aus. Ein Teil der französischen Landsknechte suchte
sein Heil in der Flucht, und die markgräflichen Fußsoldaten begannen, brüllend und Schwerter schwingend nachzusetzen. Eine andere Gruppe der Franzosen aber scharte sich um einen riesigen Anführer mit wallendem Bart und zornrotem Gesicht, der Befehle schrie und wild gestikulierte. Neithart von Künzelsau, der zunächst den Rückzug seiner Reiter anordnen wollte, entschied sich dafür, an Ort und Stelle nachladen zu lassen, um noch einmal in die sich formierende Gruppe zu feuern. »Stehen bleiben, nachladen, auf Feuerbefehl warten!« Künzelsau schrie sich fast die Lunge aus dem Leib. Die Pistolenreiter gehorchten, waren so für kurze Zeit auf ihre Waffen konzentriert und damit wehrlos. Genau das erkannte der französische Anführer und gab seinen Leuten den Befehl zum Sturm. Noch bevor die markgräflichen Schützen ihre Pistolen nachgeladen hatten, wurden sie von den ersten Spießen getroffen. Panik griff um sich.
    Der junge Pistolenreiter hatte den Hahn seines Faustrohrs noch nicht ganz gespannt, als sein Pferd ein gellendes Wiehern ausstieß, sich hoch aufbäumte und mit ihm durchging. Der Reiter, völlig überrumpelt von der plötzlichen Bewegung, verlor seine Waffe und die Zügel und klammerte sich mit aller Kraft um den Hals des Pferdes, das in wildem Galopp buckelnd davonstob. Es war vom Bolzen einer Armbrust in den Vorderschenkel getroffen worden, und nun rannte
es in wilder Jagd um sein Leben. Der Soldat zwickte die Knie zu und fischte verzweifelt nach den Zügeln, bekam sie in die Finger, legte sich mit dem ganzen Gewicht im Sattel zurück, bis das Pferd schließlich entkräftet zum Stehen kam. Jetzt erst konnte er sich umsehen. Er war pfeilgerade mitten durch die Franzosen geschossen, die sich nun zwischen ihm und seiner Truppe befanden. Soviel er erkennen konnte, hatten sich die Seinen ein Stück weiter oberhalb der Senke erneut gesammelt. Er musste versuchen, wieder zu ihnen zu stoßen, und trieb sein blutendes Tier vorwärts, um seitlich am Feind vorbeizukommen. Die beiden hatten die halbe Strecke geschafft, als Neithart von Künzelsau seinen Männern erneut den Feuerbefehl zubrüllte.
    Der Pistolenreiter spürte einen harten Schlag am linken Knie, der sein Bein vorübergehend taub machte. Er schrie vor Schreck laut auf, trieb aber sein verwundetes Tier unverdrossen weiter. Das Pferd stob in blinder Angst mitten in die Pistolenreiter hinein, strauchelte, knickte röchelnd mit der Vorderhand ein und brach unter seinem Reiter zusammen. Der blieb schwer atmend mit geschlossenen Augen neben seinem Tier liegen. Und auf einmal spürte er den Schmerz, der in seinem linken Knie raste und ihm fast

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