Die Markgräfin
trenn die Haut erst direkt am Knie ab, unterhalb der Amputationsstelle. Dann zwei Schnitte an den Seiten, so. Glotz nicht, wisch ab!«
Während Benedikt mit Schwämmen das hervorquellende Blut abtupfte, löste der Feldscher langsam mit einer Art Schaber die Haut vom Fleisch und klappte die beiden so entstandenen Hautlappen zurück. Mit dem größeren Messer schnitt er oberhalb des Knies in den Muskel. Der junge Pistolenreiter, der bisher ganz still gelegen und nur wirres Zeug vor sich hin gesprochen hatte, riss in unsäglichem Erstaunen
die Augen auf und spuckte das Beißholz aus. Er wirkte plötzlich hellwach und zerrte wild an den Stricken, die ihn hielten. Mit einer Stimme, die vor Entsetzen kreischte, begann der Gepeinigte schrill und durchdringend zu schreien. Unbeeindruckt von der Reaktion seines Patienten schnitt und sägte sich Hieronimus Stock stoisch und unerschütterlich weiter durch die Oberschenkelmuskeln, bis er sie vorne und hinten völlig durchtrennt hatte. Das Bein des Pistolenreiters, der nun wie ein Wahnsinniger mit sich überschlagender Stimme schrie und sich mit seinen letzten Kräften gegen die Fesseln stemmte, hing nur noch am Knochen.
»Die Beinsäge, Junge.«
Stock setzte die Säge an. Der Pistolenreiter erbrach sich in Krämpfen; Galle, Rotz und Speichel quollen ihm aus Mund und Nase. Er flog am ganzen Körper. Aus seinem weit aufgerissenem Mund drangen nicht mehr menschliche Töne, bis seine Stimme plötzlich mit einem dunklen Gurgeln erstarb und sein Körper erschlaffte.
»Gott sei’s gedankt, endlich ist er bewusstlos«, seufzte Benedikt erleichtert. Er war grünlich im Gesicht.
Der Chirurg sägte nun mit geübten Bewegungen den Knochen vollends durch. Er packte das abgetrennte Bein am Fußgelenk und schmiss es seinem Gehilfen zu.
»Weg damit. Und schau, ob das Glüheisen so weit ist.« Er wischte sich die Schweißperlen aus dem Gesicht, griff zu einer Feldflasche, die an einem Pfosten neben dem Operationstisch hing, und nahm einen tiefen Schluck.
»Das Ausbrennen«, erklärte er, während er sich in einem Ledereimer das Blut von den Händen wusch, »dient nicht nur der absolut wirksamen Blutstillung, sondern versiegelt auch die Schnittfläche und verhindert, dass sich die Entzündung weiterfrisst. Feuer heilt!«
Er schlüpfte in eine Art dicken Handschuh und zog das rot glühende Eisen aus dem Feuer. Während Benedikt sorgfältig die beiden Hautlappen zur Seite hielt, damit sie unversehrt blieben, drückte der Wundarzt das Eisen mitten in die Amputationswunde. Das verbrannte Fleisch zuckte und zischte, und es stank entsetzlich.
»So. Jetzt mach vorsichtig die Abbindschnur locker. Noch ein bisschen. Gut. Siehst du, es blutet nicht. Die Adern sind allesamt verschmort. Jetzt können wir nähen.«
Stock zog die beiden Hautstücke über die offene Wunde. Mit einer dicken Nadel und einem gezwirbelten Schafsdarm setzte er die ersten zwei Stiche, dann ließ er seinen Assistenten weitermachen.
»Früher hat man das Verschließen mit den Hautlappen nicht gemacht«, erklärte Stock dabei, »da ließ
man die Wunde einfach offen. Aber oft kam dann später Schmutz hinein, und es gab wieder eine Entzündung. Man musste deshalb nicht selten noch einmal operieren und das Glied ein Stück höher abschneiden. Wenn die Wunde mit Haut bedeckt ist, kann das nicht mehr so leicht geschehen, und alles wächst gut zu und sieht auch schöner aus. Notabene: Haut ist der beste Verband.«
Der Gehilfe war geschickt im Umgang mit der gekrümmten Nadel. Ein ums andere Mal stach er durch die Haut und zog mit dem Faden die Wundränder sorgfältig zusammen. Er legte aus sauberen Leinbahnen einen Verband an. Dann löste er die Stricke, mit denen der Operierte festgebunden war. Der stöhnte leise und öffnete die Augen. Der Atem ging schwach, aber regelmäßig.
»Alles vorbei, Junge.« Stock klopfte seinem Patienten sachte auf die Schulter. »Musst allerdings in Zukunft ohne dein linkes Bein auskommen.«
Der Pistolenreiter weinte.
Der Wundarzt und sein Gehilfe verließen das Zelt und gingen nebeneinander über den Platz. Benedikt war skeptisch.
»Meister Stock, glaubt Ihr, der überlebt das?«
»Schwer zu sagen. Das Fieber hat ihn stark geschwächt. Wenn es jetzt schnell und gleichmäßig sinkt, könnte er’s schon schaffen. Hält die trockene
Hitze dagegen noch länger an, seh ich schwarz. Die nächsten Stunden werden’s weisen. Wenn du willst, geh später zu ihm und leg ihm feuchte Tücher auf die
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