Die Markgräfin
Soldaten vorbeizulassen.
»Steht nicht da wie die Kälber und glotzt! Verbeugt Euch gefälligst, wenn Euer Landesherr vorbeikommt!«
Die Schlossbediensteten erkannten tatsächlich inmitten der Landsknechte mehrere vornehme Reiter, darunter einen auf einem weißem Pferd, und beugten respektvoll die Knie. Noch bevor sie sich wieder aufrichteten, holte ein Soldat mit seinem Schwert aus und klatschte der Frau, die ihm am nächsten stand, laut lachend mit der breiten Seite der Waffe auf das Hinterteil. Die Ärmste bekam das Übergewicht, schrie auf und fiel der Länge nach hin. Semmeln und Fleischreste kullerten den Hang hinab. Die Soldaten grölten und trieben ihre Tiere weiter.
Von droben erklang ein Trompetenstoß, und die beiden Flügel des Äußeren Tors schwangen weit auf. Markgraf Albrecht Alkibiades ritt nach jahrelanger Abwesenheit wieder in seine Landesfestung ein.
»Liebden! Wacht auf!« Jemand rüttelte an Barbaras Schulter. »So werdet doch wach!«
Die Markgräfin richtete sich im Bett auf und sah verwirrt um sich. Seit einiger Zeit hatte sie zugestimmt, abends einen Schlaftrunk einzunehmen, den ihr der Kulmbacher Doctor aus Baldrian, Hopfen, Mohnsaft und allerlei Kräutern zusammenbraute. Seitdem schlief sie traumlos und tief und wachte erst spätmorgens auf.
Langsam erkannte sie das Gesicht der Hofmeisterin.
»Was wollt Ihr, Guttenbergin? Ist schon Mittag?«
Sie rieb sich die Augen und ließ sich wieder in die Kissen sinken.
»Nein, die Frühmesse ist gerade zu Ende. Liebden, Ihr müsst aufstehen. Euer Bruder, der Markgraf, ist gestern angekommen und will Euch heute sehen!«
Barbara zuckte zusammen und war mit einem Mal hellwach.
»Welcher – Georg oder Albrecht?«
»Albrecht natürlich. Markgraf Georg liegt, so sagt man, schon seit drei Wochen krank zu Ansbach darnieder.«
Die Markgräfin begann vor Aufregung zu zittern. War es möglich, dass ihre Gefangenschaft ein Ende hatte? Weshalb sollte Albrecht diesmal sonst zu ihr kommen?
Die Hofmeisterin betrachtete Barbara prüfend. Seit die Markgräfin nachts besser schlief, hatte sie Gott sei Dank wieder eine gesündere Gesichtsfarbe, und ihre grauen Augen waren nicht mehr mit dunklen Ringen unterlegt. Trotzdem waren ihre Wangen eingefallen, und sie wirkte dünn und zerbrechlich. Die Guttenbergin beschloss, Barbara beim Ankleiden zu helfen und sie zu frisieren, damit sie in ordentlichem Zustand ihrem Bruder begegnen konnte. Sie und ihr Mann wollten nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass die Gefangene womöglich verwahrlost aussah.
Während zwei Stubenknechte kamen und frisches
Stroh auf den Fußboden schütteten, wühlte die Hofmeisterin in der Kleidertruhe. Etliches zog sie hervor, was von den Motten angefressen war, bis sie schließlich ein weit ausgeschnittenes ockerfarbenes Kleid fand. Das würde gehen, befand sie, suchte die passenden Ärmel und eine Schaube und legte alles über einen Sidelhocker.
»Viel Auswahl an Kleidern habt Ihr ja nicht«, wandte sie sich an Barbara, die inzwischen das Bett verlassen hatte und nackt und verloren am Fenster stand. Erschreckt stellte die Guttenbergin fest, wie mager die Markgräfin war. Über den flachen kleinen Brüsten erkannte man die Rippenbögen, Arme und Beine waren knochig. Barbaras Körper hatte alle Üppigkeit verloren. Die langen Haare fielen ihr wirr bis auf die Hüften, an denen die Knochen deutlich sichtbar hervortraten.
»Kommt, Liebden, ich will Euch beim Ankleiden helfen.«
Die Guttenbergin zog Barbara vom Fenster weg und warf ihr das gelbe Kleid über. Dann befestigte sie die geplusterten weißen Ärmel an den Schulterteilen und machte am Ausschnitt ein geklöppeltes Brusttuch fest, das sie hinten am Hals verschnürte.
»Wisst Ihr, was mein Bruder vorhat, Hofmeisterin? Hat er etwas gesagt?«
Die Guttenbergin schüttelte den Kopf.
»Nichts weiß ich, gar nichts! Ihr kennt doch Euren
Bruder – er redet mit keinem. Als er gestern ankam, ist er sogleich in seine Zimmer und nicht mehr wieder herausgekommen. Er fühlt sich krank und hat schlimme Schmerzen im Kopf, das hat er meinem Gemahl gesagt. Deshalb will er auch heute früh in die Badstube nach Kulmbach gehen und sich danach vom Doctor anschauen lassen. Später kommt er dann zu Euch, das ist alles, was ich sagen kann. Setzt Euch, damit ich Eure Haare kämmen kann.«
Barbara ließ sich auf dem Hocker nieder und versuchte, ihre Gedanken zu sammeln, während die Hofmeisterin einen Schildpattkamm mit ausgesägten Zähnen
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