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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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aus der kleinen Schatulle nahm und ihr das Haar glättete.
    »Tut’s weh, Liebden? Lauter Butzen und Knoten, und ganz verfilzt! Ihr solltet besser auf Euch achten und jeden Tag kämmen, sonst muss es eines Tages abgeschnitten werden. Dabei habt Ihr so schönes Haar, so schwarz und dicht. Da, jetzt glänzt es auch wieder!« Die Hofmeisterin fasste Barbaras dunkle, schwere Haarpracht mit beiden Händen im Nacken zusammen, drehte alles zu einer dicken Kordel und steckte diese am Hinterkopf mit vielen beinernen, fingerlangen Nadeln zu einem Nest hoch. Dann drapierte sie ein gewebtes goldfarbenes Haarnetz um die Frisur.
    »So, jetzt könnt Ihr aufstehen, Liebden!«
    Barbara gehorchte. Obwohl ihr das Kleid nicht
mehr so recht passte, weil sie so dünn geworden war, sah sie beinahe so schön wie früher aus, fand die Guttenbergin. Die Markgräfin hatte auch nach der langen Zeit in der Haft immer noch die gleiche elegante Haltung und die gleichen ruhigen Bewegungen: Aufrecht und gerade stand sie da, den Kopf auf dem schlanken Hals leicht zur Seite geneigt. Das Gelb des schweren Damaststoffs bildete einen starken Kontrast zu ihren dunklen Haaren. Die Hofmeisterin schnaufte erleichtert auf. Der Markgraf würde keinen Grund haben, ihr und ihrem Mann vorzuwerfen, dass seine Schwester in zu schlechter Verfassung sei.
    Als die Guttenbergin gegangen war, setzte sich Barbara in ihren gepolsterten Lehnstuhl und wartete. Dass Albrecht sie besuchte, musste ein gutes Zeichen sein. Denn schlimmer, so dachte sie, kann es schließlich nicht werden. Mehr als einsperren konnte er sie ja nicht. Vielleicht hatte er nach anderthalb Jahren eingesehen, dass sie nicht nachgeben würde. Sie fragte sich, ob sie ihn hasste, und konnte keine Antwort finden. Irgendwie waren ihr in den letzten Monaten alle Gefühle abhanden gekommen. Sie war innerlich taub, hatte zu einer Gleichgültigkeit gefunden, die ihr unheimlich war. Wer war sie – Frau, Markgräfin, Gefangene, jung, alt? Spürte sie ihren Körper noch? Ich weiß es nicht, dachte sie, ich bin mir selber eine Fremde geworden. Panik kroch in ihr hoch. Was war nur mit ihr passiert?
    Sie ballte die Fäuste und schüttelte den Kopf. Dann begann sie, im Zimmer auf und ab zu gehen. Auf einmal wurde ihr klar, dass sie kurz davor gewesen war zu kapitulieren. Sie hatte sich vernachlässigt, war krank geworden, hatte an ihrem Glauben gezweifelt, hatte den Tod herbeigesehnt. Ich muss mich zusammennehmen, beschloss sie, ich muss mich zwingen, wieder so zu werden wie früher. Als Erstes werde ich den Doctor mit seinem Schlaftrunk hinauswerfen. Die Mixtur macht mich benommen und lässt mich nicht denken. Sie wollen mich damit nur gefügig machen. Und Albrecht soll nicht merken, wie schlecht es mir geht. Ich muss wieder essen und zu Kräften kommen. Die Tränen stiegen ihr in die Augen. Hoffnung, dachte sie, ich spüre Hoffnung. Ich fühle wieder etwas. Es kann noch alles gut werden. Es war, als sei sie aus einem langen Schlaf erwacht.
    Sie klopfte an die Vogteitür, damit der Wächter das Guckfenster öffnete.
    »Cunz, bring mir ein rechtes Mittagsmahl mit Fisch, Fleisch und Beigemüse! Ich bin hungrig. Und schick auch in den Keller nach einem Krug Wein mit Honig.«
     
    Albrecht war wie fast immer in den letzten Monaten mit bohrenden Kopfschmerzen erwacht. In seinen Schläfen hämmerte es, und über seiner Stirn lag ein Druck wie von tausend Tonnen. Er schwang die Beine
aus dem Himmelbett und benutzte ausgiebig den Nachtscherben.
    An der gegenüberliegenden Wand schliefen in zwei Spannbetten seine persönliche Leibwache Heinz von Bayreuth, ein Bär von einem Landsknecht, und der kleine Michel, ein Bub von zehn Jahren, der den markgräflichen Regenmantel trug. Ersterer schnarchte, dass man es bis nach Kulmbach hören musste.
    »Auf!«
    Albrecht Alkibiades trat gegen den Bettpfosten des Landsknechts, der mit einem Grunzen hochfuhr. Auch der Junge wurde wach und streckte sich.
    »Hol mir den Kammerherrn zum Ankleiden. Er soll leichte Sachen mitbringen; ich geh nach der Frühsuppe in die Badstube.« Der kleine Regenmantelträger schlüpfte in sein Hemd und wieselte los.
    Der Landsknecht stieg in seine ledernen Kniehosen und die Stiefel, während Albrecht am offenen Fenster stand und den Kopf auf den Schultern rollen ließ.
    »Das Schädelweh bringt mich noch um!« Er atmete ein paar Mal tief durch.
    Nach der Frühsuppe verließ Albrecht die Markgrafengemächer. Für den Vormittag hatte er die Obere Badstube in

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