Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
Vom Netzwerk:
kommt nicht an gegen den Qualm, und jemand hat
bereits eine Mohnpfeife geraucht. In der Küche werden
Süßwasserfische gegrillt. Niedrige Decke, schummrige
Beleuchtung. Ihr Sehvermögen passt sich augenblicklich an,
und schon ist es für sie wieder taghell, abgesehen von den
wellenlängenverschobenen Farben. Der Spion übernimmt
für die Dauer einer sekundenlangen Musterung des Raums.
Natürlich gibt es Überwachung, jedoch nur das
lokaleigene System, etwa so intelligent und so gefährlich
wie ein Hund. Sie vermittelt ihm den Eindruck, die Person, die soeben hereingekommen ist, sei freundlich, habe ihm
soeben den Kopf getätschelt und könne von nun an
ignoriert werden.
    Etwa ein Dutzend Gäste halten sich im ›Malley
Mile‹ auf: Farmarbeiter und Mechaniker auf Barhockern, und
Büroangestellte – überwiegend junge Frauen
– an den runden Tischen. Sieht so aus, als hätten sie
auf dem Heimweg einen Drink zu sich nehmen wollen und seien
einfach sitzen geblieben. Gut. Sie bemerkt ein Hinweisschild:
Keine versteckten Waffen. Sie holt eine Pistole aus der
Handtasche, steckt sie sich hinter den Rockgürtel und geht
zum Tresen. Die Mädchen an den Tischen bemerken sie, die
Männer auf den Barhockern bemerken sie, aber das liegt
bloß daran, dass sie hübsch ist, und nicht daran, dass
sie fehl am Platz gewirkt hätte.
    Der Barkeeper ist auch ein Riese, ein Giganthopecus mit
vergrößertem Gehirn oder was auch immer (mit den
Bezeichnungen kennt sie sich nicht aus), und er stützt sich
traurig auf die Ellbogen, während die Handgelenke über
den Tresenrand vorragen. Er wendet sich von den Gladiatoren im TV
ab und lächelt sie an, jedenfalls bleckt er seine gelben
Fangzähne.
    »Ya?«
    »Einen Dark Star, bitte.«
    Ohne sich aufzurichten zieht der Mann die Flaschen aus dem
Regal und mixt Rum mit Cola.
    »Eisch?«
    »Sehr gern.« Sie achtet auf die Zischlaute; dem
Drang, in eine Art Mimikry zu verfallen (ein Programmfehler des
Spions), lässt sich nur schwer widerstehen. Sie
überlässt es dem Spion, zu zahlen und den passenden
abgegriffenen Geldschein aus ihrer geklauten Sammlung
auszuwählen. Mit Goldwerten kommt sie in allen
Bewusstseinsmodi gut zurecht, aber Getreide und Maschinenteile,
Land und Arbeitszeit sind ihren meisten Persönlichkeiten
fremd.
    Die Eisstücke klirren, als sie den Drink zu einem freien
Tisch an der Rückseite des Lokals mitnimmt. Sie setzt sich
mit dem Rücken zur Wand. Sie legt Handtasche und Pistole
lässig auf den Tisch. Sie probiert den Drink, steckt sich
eine Zigarette an und behält die Tür im Auge, als warte
sie auf das Erscheinen einer Freundin oder ihres Freundes.
    Die beiden Phantombilder, die noch immer in ihrer
Mustererkennung und Zielerfassung gespeichert sind, können
jeden Moment durch die Tür treten. Wenn sie Glück hat,
wissen sie nicht, dass sie bewaffnet ist. Sie ist sich fast
sicher, dass sie über den Spion, den Soldaten und all die
anderen Routinen, die sie runtergeladen hat, nicht Bescheid
wissen. Sie erwarten die Sekretärin, Sex oder das
Ich-Programm, die allenfalls zum Treten, Beißen oder
Kratzen taugen. Damit werden sie fertig werden, und was die
anderen Gäste betrifft… sobald die schweren Jungs
ihre Karten zücken, werden sie mit dem gleichen
Mitgefühl, das sie auch der Bergung eines gestohlenen
Fahrzeugs entgegengebracht hätten, zuschauen, wie sie auf
die Straße gezerrt wird.
    Doch es gibt Leute in diesem Viertel, die die Dinge anders
sehen, und wenn nicht die Wiederbeschaffungsleute – die
Greifer, wie sie auch genannt werden – hereinkommen und sie
finden oder wenn sie hereinkommen und sie trotzdem nicht
festnehmen, dann wird sie in den Nebenstraßen nach
menschlichen Verbündeten suchen.
    Jetzt heißt es abwarten. Ihr Besitzer hat vielleicht
schon herausgefunden, welche Hard- und Software sie mitgenommen
hat, und dann hat er bestimmt jemanden oder etwas auf sie
angesetzt, der oder das seine Sache versteht.
    Sie lässt den Eingang nicht aus den Augen und hält
die Hand dicht bei der Pistole.
     
    »Wird hier englisch gesprochen?«
    Wilde schlurfte den Weg am Kanalufer entlang – der
Trampelpfad hatte sich erst zu einem Streifen verbackenen Sandes
verbreitert und mündete nun auf eine Straße, die aus
dem gleichen Material bestand, als habe der Finger eines Gottes
vom Weltraum aus die Linien gezogen – und wartete auf die
Antwort der Maschine.
    Die Stadt war am Horizont allmählich

Weitere Kostenlose Bücher