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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Schnelldenker hatten ein
paar Vorschläge gemacht. Vor allem kam es darauf an, nach
unserem Eintreffen im Sonnensystem die Materie- und
Energieressourcen zu erschließen, die wir für die
Umsetzung benötigten. Dass uns von der wichtigsten
Ressource, nämlich der Zeit, genug zur Verfügung stand,
war keineswegs sicher.
    Wir stürzten durchs Wurmlochtor.
    Der Anblick, der sich mir bot, hätte mich beinahe
umkehren lassen.
    Wie vorhergesagt, tauchten wir im Orbit des Jupiter auf
– im hohen Orbit, was uns überraschte. Zum
ersten Mal erblickte ich den Ring von oben. Mit dem des Saturn
war er zwar nicht zu vergleichen, bot aber gleichwohl einen
beeindruckenden Anblick. Konzentrische weiße Ringe,
unterteilt von schmaleren schwarzen Ringen, die wohl im Laufe der
Jahrhunderte von den verbliebenen Jupitermonden eingefräst
worden waren. Auch der Jupiter selbst hatte sich verändert,
die farbigen Bänder waren nun gezähmt, zu hexagonalen
Zellen geordnet, die von undeutlich erkennbaren massiveren
Strukturen getrennt wurden.
    »Das ähnelt ja einer Honigwabe!«,
flüsterte hinter mir Meg.
    »Ja«, sagte ich. »Aber dem Bienenvolk
möchte ich lieber nicht begegnen.«
    Meg zoomte daraufhin die Vorderansicht. Hundert Kilometer
voraus zeigte sich auf unserer Umlaufbahn ein Schwarm der
hässlichsten Raumschiffe, die ich je gesehen hatte. Ihre
riesigen, mit Gelenken versehenen Ausleger aus funkelndem Messing
und Stahl wirkten perfekt, geradezu vollkommen. Ihre
zahlreichen Augen und die kreisenden Antennen waren uns
zugewandt. Ihre Missiles und Laser bewegten sich wie frei
zugängliche Stacheln in Kampfposition.
    Unsere eigenen Antennen wurden augenblicklich auf mehreren
Frequenzen gleichzeitig bombardiert.
    »Firewalls aktiv?«, fragte ich.
    »Ja«, antwortete Meg.
    Vorsichtig öffnete ich einen hereinkommenden Videokanal
und sendete ein Mikrowellenidentifizierungssignal an die vor uns
befindlichen Festungen oder Raumschiffe.
    Auf dem Monitor in den visuellen Zentren meines Bewusstseins
erschien das Gesicht einer Frau, verschleiert durch die
schützenden Firewalls der Anti-Virus-Software. Eine junge
Frau mit zu Zöpfen geflochtenem Lockenhaar, epikanthischen
Augenlidern, breiten Wangenknochen, kaffeebrauner Haut, schmalen
Lippen und breiten Zähnen… schwer zu sagen, an
welchen Merkmalen ich dies festmachte, doch ich war mir sicher,
dass sie einer neuen Rasse angehörte, die sich von allen
anderen mir bekannten Rassen unterschied; sie war ein Mensch, das
trifft es wohl am ehesten.
    »Sprechst du Angloslavisch, Robot?«, fragte sie
misstrauisch.
    »Englisch?«
    Sie lächelte. »Ya, Ehnglisch. Du kennst es von
alten Sendungen her, ya? Die Sprache hat sich verändert.
Vieles hat sich verändert.«
    Vieles hat sich verändert.
    Die Flotte, die uns erwartete, gehörte der
Cassini-Elitedivision (wie sie sich nannte) der Solaren
Verteidigungsgruppe an, die dem Anomalitätsforschungskomitee
des Jupiter unterstellt war. Ihre einzige Aufgabe bestand darin,
das Malley Mile zu bewachen und alles abzuschießen, was von
der Jupiteroberfläche aufstieg. Zunächst hielten sie
uns für Aliens oder Abkömmlinge der Schnelldenker. Sie
waren gar nicht erfreut zu hören, dass wir ihren Signalen
ebenfalls nicht trauten – auch wenn ihre Schiffe im
Unterschied zu dem unseren groß genug waren, um organisches
Leben zu ermöglichen (wie wir widerwillig einräumten).
Schließlich schwärmten sie aus, umringten uns wie
raumanzugbewehrte Südseeinsulaner, pressten ihre Visiere an
unsere Linsen und ihre Zungen (das taten nur einige) an die
Innenseite ihres Helms.
    Meg fertigte eine spektroskopische Analyse ihrer Zungen und
der beim Lachen ausgestoßenen Atemluft an und versicherte
mir anschließend, sie bestünden aus Fleisch und Blut.
Dann waren wir an der Reihe, ihre Befürchtungen zu
zerstreuen. Sie verhörten uns tagelang, dann waren sie
beruhigt und züchteten uns geklonte Körper. Die
Retorten waren isoliert und wurden von einer Batterie
Laserkanonen bedroht.
    Ich glaube, sie waren mehr als erleichtert, als wir in
menschlicher Gestalt aus den Retorten stiegen. Die im Laufe
vieler Generationen empfangenen virenbefrachteten Funkbotschaften
von den aufeinander folgenden Zivilisationen der Schnelldenker
des Jupiter haben sie im Hinblick auf elektronische Computer
misstrauisch gemacht. Der Großteil der Rechenarbeit im
Sonnensystem wird von Maschinen erledigt, die Babbage, dem
britischen

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