Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
Vom Netzwerk:
gewachsen und wirkte
nun wie ein riesiges, irgendwie organisches Durcheinander von
hoch aufragenden schlanken Türmen, deren offen zu Tage
liegende Strukturen an die Knochen oder die Skelette von
Meereswesen erinnerten und deren Umrisse von Lichtern erhellt
wurden. Was aus der Ferne wie verfilztes Unterholz gewirkt hatte,
differenzierte sich nun zu einem Saum niedriger Unterkünfte,
der sich – anders als bei all den anderen Slums, die Wilde
bislang gesehen hatte – offenbar durch das Stadtzentrum, an
dessen Rand sie nun standen, hindurchzog. Zu ihrer Rechten und
Linken lagen Felder. Die riesigen Maschinen auf diesen Feldern
waren der einzige Verkehr, dem sie bislang begegnet waren.
Lichter waren an ihnen vorbeigekommen, doch es war schwer zu
erkennen gewesen, ob sie natürlichen oder künstlichen
Ursprungs waren. Einmal war etwas Großes über sie
hinweggerauscht, das ein grünes Nachbild hinterließ
oder aber einen Schwanz besaß und über der Stadt
schließlich aufgeblitzt war.
    »Wasserfall«, hatte die Maschine erklärt, was
ihm auch nicht weiterhalf.
    Jetzt wechselte sie von einem Bein aufs andere und
beantwortete Wildes Frage. »Man wird dich verstehen«,
sagte sie zögernd. »Englisch ist die
gebräuchlichste Sprache. Allerdings könnten dein
Wortschatz und dein Akzent – der meine übrigens auch
– ein wenig auffallen.«
    »Bevor wir weitergehen«, sagte Wilde und
ließ den Blick von den Gebäuden unter den ersten
Straßenlaternen zur Maschine schweifen, »erklär
mir ein paar Dinge. Erstens, gilt es hier als normal, sich mit
einer Maschine zu unterhalten? Ich meine, gibt es hier noch
weitere… Roboter wie dich?«
    »So könnte man sagen«, erwiderte die Maschine
trocken.
    »Okay. Was mich betrifft, so brauche ich was zu trinken
und zu essen und einen Ort, wo ich mich langmachen kann. Gehe ich
recht in der Annahme, dass ich dafür werde bezahlen
müssen?«
    »Aber sicher doch«, sagte die Maschine.
    »Und du hast nicht zufällig Geld in deinem Rumpf
versteckt?«
    »Nein, aber ich weiß etwas Besseres. Siehst du das
zweite Gebäude an der Straße? Das ist eine
Bank.«
    Wilde schwieg, hatte aber den Mund geöffnet.
    »Du weißt doch, was das ist, oder?«
    Wilde lachte. »Soll ich dort vielleicht meine
Habseligkeiten verpfänden, um ein paar Kröten
lockerzumachen?« Er deutete auf die Kleidung, die er am
Leibe trug. »Das würde mir nicht
weiterhelfen…«
    Die Maschine ließ ein recht überzeugend klingendes
höfliches Hüsteln vernehmen.
    »Oh.« Wilde blickte sie mit neu erwachtem,
forschendem Interesse an. »Ich verstehe.«
    Er setzte sich in Bewegung, zum ersten Mal vor der Maschine.
Die Maschine stakte hinter ihm drein.
    »Komm bloß nicht auf falsche Gedanken«,
sagte sie mit einer Stimme, so steif wie ihr Gang.
    Eines der Mädchen am nächsten Tisch gibt mit einem
grässlichen authentischen Akzent voller Gefühlsduselei
ihre eigene Version des Barmottos zum Besten.
     
»Könnt’ ich wandeln über den
    Reeegenbogen,
der glänzt über dem Malley Miiiile…«
     
    Das Ich weiß, dass das Malley Mile ein realer Ort ist
und dass sich das Gefühl des Verlusts und der
Regenbogeneffekt auf Aspekte seiner Realität beziehen, die
selbst ihre kalten Augen – oder ist das Teil des Programms?
– mit Tränen füllen. Der Wissenschaftler
lässt sich in einem fort darüber aus, aber sie will im
Moment nicht mehr wissen.
    Sie hat sich soeben den dritten Drink geholt, verbrennt den
Alkohol unmittelbar zu Energie und denkt daran, die Wirkung zu
emulieren, als plötzlich die Tür aufgerissen wird und
eine junge Frau hereinkommt, die bestimmt keine
Büroangestellte ist, die sich entschlossen hat, das
Wochenende hier zu beginnen.
    Sie ist hoch gewachsen und hager, wenngleich die Fliegerjacke
ihr Kreuz optisch verbreitert. Enge Jeans, Weltraumstiefel, eine
große Automatik im Gürtelhalfter. Auf der anderen
Seite der Hüfte trägt sie eine große
Umhängetasche. Kurzes blondes Haar, das locker am
Schädel anliegt. Das Gesicht zu knochig, um hübsch zu
sein. Was für sie einnimmt, sind vor allem ihre hellblauen
Augen und ihr breites Lächeln, das sie gerade den
Männern an – und dem Mann hinter – der Bar
zuwendet.
    Sie geht zum Tresen und bestellt sich ein Bier, und
während sie trinkt, unterhält sie sich mit ein, zwei
Männern, und während sie plaudert, langt sie in ihre
große Tasche, holt ein paar Zeitschriften heraus und
zählt sorgfältig

Weitere Kostenlose Bücher