Die Mars-Verschwörung
Teeblätter ihren Tod vorhergesagt?«
»Dies hätte mein Grab werden sollen.« Seine Augen blicken starr geradeaus. »Es ist eine große Ehre, es Riki-Tiki zu überlassen.«
»Wenn Sie Ihr Grab ihr überlassen ...«
»Wo ich dann begraben werde?« Er sieht mich unter hochgezogenen Brauen an. »Vielleicht werde ich lange genug leben, um mir ein neues Grab zu errichten. Vielleicht suche ich mir meine letzte Ruhestätte bei den Bienen. Das ist kein unerfreulicher Gedanke.«
Auf sein Zeichen lassen wir die Bahre in das Grabmal gleiten, und Ghannouj schließt die Tür. Mit einem hölzernen Griff verankert er sie im Schloss, ehe er den Griff abbricht.
Die Mönche setzen sich im Lotussitz auf den Boden, die Arme auf Schulterhöhe, die Handflächen nach außen gewandt. Shoei und Yadokai sitzen Ghannouj gegenüber, der in einen Singsang verfällt, dem sich die beiden anderen anschließen. Ich trete zurück und warte, die Arme vor der Brust verschränkt, im Hintergrund unweit einer verkrüppelten Kiefer, deren Stamm und die Äste aufgrund der ungenügenden Wachstumsbedingungen nicht richtig ausgebildet sind.
Der zähe Nebel umhüllt mich, verschleiert das Grab und wickelt die Mönche in ein Leichentuch. In wenigen Minuten wird aus dem Nebel ein undurchdringlicher Dunst, und ich verliere die Mönche gänzlich aus dem Blick.
»Wie lange, Mimi?«, frage ich, als ich allmählich unruhig werde.
»Ihre Gebete geleiten Riki-Tiki in die Geisterwelt«, sagt sie. »Hab Geduld. Du benimmst dich, als hätte ihre Seele GPS .«
Sie hat recht. »Was für ein dummer, ignoranter bái mù, jiào nĭ shēng háizi zhăng zhì chuāng bin ich eigentlich?«
»Einer von der Sorte, die noch zu retten sind.«
»Das bezweifle ich.«
»Ich weiß es«, sagt sie. »Und ich habe sämtliche Daten, um es zu beweisen.«
Wieder setzt Regen ein, und die Mönche erheben sich, ehe ich es überhaupt bemerke. Die Gebete sind abgeschlossen. Sie wenden sich zum Gehen.
»Warten Sie.« Ich ergreife Shoeis nasse Schärpe. »Ich möchte, dass Sie wissen, wie leid es mir tut.«
Shoei und Yadokai wechseln einen ausdruckslosen Blick. Sie meiden mich noch immer, aber sie bleiben hier im Nebel stehen, als ich ihnen erzählte, wie nahe wir dran gewesen waren, Vienne zu retten, und dass ich sie, wäre mir nicht schwindelig geworden, hätte rausholen können, und dass Riki-Tiki dann nicht erschossen worden wäre. Ich erkläre ihnen, dass Riki-Tiki, wäre ich schneller oder klüger gewesen, noch leben würde.
»Es tut mir leid«, sage ich noch einmal.
»Riki-Tiki war die Letzte von uns«, sagt Yadokai. »Was soll jetzt aus den Tengu werden?«
Shoeis Gesicht ist grau und eingefallen. Sie schlägt mich, und das Geräusch hallt über den Berghang. »Jetzt tut mir auch etwas leid.«
Sie macht kehrt, rafft ihre Robe und steigt die Stufen hinunter. Yadokai folgt ihr und ruft ihren Namen.
Mein Gesicht brennt, aber das ist mir egal.
Ghannouj schließt die Augen und verbeugt sich vor mir. »Vergib ihnen.«
Ich schüttle den Kopf. »Da gibt es nichts zu vergeben. Es war alles meine Schuld.«
»Es gibt immer Schuld, also muss es auch immer Vergeben geben.« Ghannouj starrt in den Nebel. »Sogar für uns selbst.« Dannverbeugt er sich erneut und steigt langsam die Stufen hinunter, die sich durch das herabfließende Wasser pink verfärben.
Ich warte, bis ich ihre Füße auf dem Stein nicht mehr hören kann, ehe ich mich zu dem vom Nebel verhüllten Grab umdrehe und das Zeichen des Regulators mache. »Friede sei mit dir.« Mit mir wird er bestimmt nicht sein.
»Sie werden es nicht tun«, sagt Mimi.
Ich humple die Stufen hinunter. »Was?«
»Sie werden dich nicht von deinen Schuldgefühlen befreien.«
»Danke, Madame Freud.« Ich quetsche die Worte durch meine Zähne, während ich den Wald der Toten durchschreite. »Das ist nicht das, was ich will.«
»Was willst du dann?«
»Du kennst die Antwort. Ich will, dass Riki-Tiki lebt. Ich will Vienne zurückhaben, gesund und sicher.« Ich halte inne, um zu Atem zu kommen, während mir die Galle in der Kehle aufsteigt. »Aber da ich das nicht haben kann, will ich Lyme aufhalten. Und Archie tot sehen.«
Ein echter Held hätte die Dinge anders angepackt. Er hätte sich einen stillen Ort auf einer Wiese nahe einem Bach gesucht, über dem Bäume einen Baldachin aus Blättern bilden. Dort hätte er mit seiner eigenen Schaufel ein Grab gegraben und seine Freundin selbst bestattet; er hätte ihren Leib der Erde zurückgegeben,
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