Die Mars-Verschwörung
egal, ob sie lebt oder nicht, nachdem sie davongelaufen ist, um sich den Regulatoren anzuschließen.«
»Wie kommst du darauf? Tengu verlassen das Kloster nicht«, sagt Ghannouj. »Aber das bedeutet nicht, dass hier kein Platz für Vienne ist. Du kannst sie jetzt nicht aufgeben, ganz gleich, welche Sünden du in ihren Augen begangen hast.«
»Er kennt dich allzu gut«, sagt Mimi.
»Ich habe dir gesagt, du sollst das Maul halten.«
»Eure Schicksale sind verflochten«, fährt Ghannouj fort. »Dukannst deine Bestimmung nicht erfüllen, wenn sie die ihre nicht erfüllt. Such Vienne. Bring sie zurück zu uns. Das Schicksal ist noch nicht fertig mit ihr.«
Ihm zu glauben erscheint verführerisch. Seine Worte als Wahrheit zu akzeptieren. Denn er ist ein guter Redner. Aber Worte bedeuten nichts, gar nichts, wenn einem die Kugeln um die Ohren fliegen.
»Ich glaube Ihnen nicht. Das ist unmöglich. Vienne ist Hunderte von Kilometern entfernt, und ich bin hier. Mein Trike ist nur noch Schrott. Ich weiß nicht, ob ich Vienne überhaupt finden kann. Und selbst wenn – ich weiß nicht, ob noch irgendetwas von Vienne in ihr ist.«
Er nippt an seinem Tee und nickt, und die buschigen Brauen bilden einen Bogen auf seiner Stirn. »Wenn du bereit bist, Vienne im Stich zu lassen, dann überlasse ich dich den Puppen. Bitte säubere die Matten von dem Schlamm, wenn du fertig bist.«
»Was?«, rufe ich und folge ihm. »Wer hat gesagt, ich würde Vienne im Stich lassen?«
»Du.«
»Das habe ich nicht!«
Ghannouj ahmt mit der Hand einen Schlund nach, der sich öffnet und schließt. »Ich bat dich, sie zu uns zurückzubringen, und dein Mund brachte nur ›unmöglich, unmöglich, unmöglich‹ hervor.«
»Was nicht heißt, dass ich tatsächlich so denke!« Ich möchte ihn erdrosseln; stattdessen balle ich die Hände zu Fäusten und schüttle sie, so fest ich nur kann. »Ich meine, selbst wenn es möglich wäre, wie soll ich sie herbringen? Durch Teleportation?«
»Du könntest fliegen«, sagt Ghannouj, ohne eine Miene zu verziehen. Er wirbelt um die eigene Achse und versetzt dem Stamm einen Tritt, worauf dieser in der Mitte zerbirst. Die Puppe knickt auf halber Höhe ab, und ihre Eingeweide bilden einen Haufen aus Holzsplittern. Irgendwie hat der Abt es fertiggebracht, dabei keinen einzigen Tropfen von seinem Tee zu verschütten. »Nichts ist unmöglich, wenn man es wirklich will. Folge mir.«
♦
Der Regen hört auf, als wir das Teehaus erreichen. Während ich draußen bleibe, um mir den Schmutz von den Stiefeln zu schlagen, geht Ghannouj hinein. Über uns lichten sich die Wolken, und ich kann die grauen Schluchten in der Ferne sehen. Noch zeigt sich keine Sonne, und die Plattform über dem Teich ist schlüpfrig vom Regen.
Einen Moment später gleitet die Tür wieder auf, und Ghannouj kommt mit einem Tablett zu mir. Es ist beladen mit Daifuku , grünem Tee in einer Glaskanne und einem Stapel Verbände.
»Verbände?«
Er verbeugt sich leicht. »Keine Sorge. Normalerweise werden sie nicht gebraucht.«
»Normalerweise?«
»Zieh deine Stiefel aus. Sie werden dir nur im Wege sein.« Er hält mir das Tablett hin. »Möchtest du Daifuku? «
»Nein, danke.« Ich stelle meine Stiefel auf die Plattform. »Mimi, hast du eine Ahnung, wozu er die Verbände braucht?«
»Sie beinhalten großen physischen Schmerz. Möchtest du mehr wissen?«
»Vergiss es.«
Ghannouj stopft sich drei Reiskuchen in den Mund und nimmt einen großen Schluck von seinem Tee. Dann stößt er einen klangvollen Rülpser aus und klopft sich mit einer Faust auf die Lippen. Ich komme nicht über sein Verhalten hinweg, über die lockere Art, mit der er alles hinnimmt und einfach zur Tagesordnung übergeht.
»›Die Besten sind voller Zweifel‹«, sagt Mimi, »›die Ärgsten erfüllt von der Kraft der Leidenschaft.‹«
»Was soll das jetzt heißen?«
»Oh, schau nur«, sagt sie, ohne auf meine Worte einzugehen. »Die Karpfen im Teich sind hungrig.«
Ghannouj ergreift einen langen Bambusstab und stößt einen Holzbalken vom Ufer fort, steigt hinauf und balanciert mühelos darauf. »Komm zu mir.«
»Da drauf? Wollen Sie meine Flugangst mit einem Holzbalken heilen?«
Er klopft mit dem Stab auf das Holz. »Gleichgewicht ist der Schlüssel. Ein inneres Gleichgewicht kann ohne äußere Balance nicht existieren. Außerdem macht es mir so mehr Spaß.«
»Mir auch!«, wirft Mimi ein.
»Vergiss nicht«, sagt Ghannouj, »deine Ängste haben dich nicht davon
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