Die Marseille-Connection
herrschte Brainard sie an.
Sie drehte sich zu Esteban um: »Hörst du, wie der mit mir spricht?«
»Schlampe!«, wiederholte der Inspektor.
Esteban umarmte sie. »Ich komme schnell zurück, mach dirkeine Sorgen«, schnurrte er ihr ins Ohr und stieg ein. Sie plazierten ihn zwischen Tarpin und Brainard, die ihm beide die Ellbogen in die Rippen schoben.
»He, was ist denn los? Ich arbeite doch für euch!«
Da verpasste ihm Brainard einen Stoß, dass ihm der Atem wegblieb.
»Wissen wir, aber wir müssen ein bisschen Theater machen, und so sammeln wir Scheißkerle wie dich eben von der Straße auf.«
Der Paraguayer hatte zu viel erlebt, um Widerstand zu leisten. Er musste einfach den Mund halten, stillsitzen und warten, bis die Chefin kam, was bereits ein paar Minuten später der Fall war.
»Na, Santucho, wie ich höre, gehst du eigenmächtig vor!« Sie zündete sich eine Zigarette an.
»Ich habe nur den Verkaufsbereich vergrößert, mehr nicht.«
»Und wenn Bermudez wütend wird, greift der Territorialkrieg auf die Latinos über.«
»Das wird nicht passieren, Madame. Demnächst weiß ich, wo er seinen Stoff versteckt, und dann ist er fällig.«
»Ich entscheide hier, wer fällig ist und wann. Hast du vergessen, wer ich bin?«, fragte sie drohend.
»Nein, nein, Sie sind Gott.«
»Und Gott befiehlt dir, in deinem Viertel zu bleiben. Wenn du Bermudez’ Lager ausfindig gemacht hast, kommst du erst zu mir.«
Sie schnipste mit den Fingern, und der Lieferwagen hielt an.
»Raus mit dir!«
Garrincha zögerte kurz. »Ich hab da so Gerüchte gehört«, sagte er vorsichtig.
»Nichts, was ich nicht weiß«, behauptete sie.
»Es scheint, dass noch mehr Mexikaner nach Marseille gekommen sind.«
»Jeden Tag kommen welche.«
»Aber das sind eingefleischte Feinde von Bermudez und seinen Leuten.«
»Dann sieh zu, dass du seinen Platz einnimmst, sonst tu ich sie dahin und du landest im Knast«, lachte B.B.
Brainard gab ihm einen Stoß, dass er aus dem Wagen purzelte, der mit quietschenden Reifen davonfuhr.
Die Passanten blickten entsetzt auf das Schauspiel, aber Esteban lächelte, stand auf und klopfte sich die Kleidung ab: »Keine Sorge, das war nur mein Schwager«, verkündete er fröhlich. »Scheißlaune, aber sonst ein feiner Kerl.«
Er hätte im Taxi zurückfahren können, ging aber lieber zu Fuß, um sich die Wut abzulaufen. Diese Polizistin hielt sich für Gott, doch sie hatte noch nicht begriffen, mit wem sie es zu tun hatte. Garrincha hatte Bermudez bereits so weit ausspioniert, dass er die Struktur seiner Organisation überblickte. Vor allem hatte er herausgefunden, wo er Koks und mota lagerte, einen regelrechten Berg davon, der für ganz Südfrankreich genügt hätte. Regelmäßig kam Nachschub aus Mexiko, die hatten dort so viel, dass sie nicht wussten wohin damit, aber dieser Idiot brachte es nicht fertig, die Verteilungswege auszubauen, und so häufte der Stoff sich in Marseille an. In ein paar Tagen würde er ihm gehören, und der große Xavier Bermudez würde ein paar Rechnungen zu begleichen haben. Der Bourdet würde er erklären, die Konkurrenz hätte Bermudez verjagt oder erschossen, und sie würde ihm glauben müssen. Im Grunde hätte sie ja das von ihr gewünschte Ergebnis erreicht. Und er ebenso. Dank der Riesenmenge Stoff würdeer den Handel ausbauen können und sich dabei des Netzes von Straßenhändlern bedienen, die Bermudez selig gedient hatten. Don Santucho, so würde er sich nennen lassen.
Er hob den Blick zu den Häusern, die den Boulevard säumten. Marseille war schon eine schwierige Stadt, nicht leicht zu begreifen, nicht leicht zu bewohnen. Am Ende würde auch einer wie Don Santucho eine Garbe aus einer Kalaschnikow abbekommen oder im Knast landen, es war fast unmöglich, auf ein anderes Schicksal zu hoffen. Doch er würde sich nicht zum x-ten Male verarschen lassen, er hatte sich von dem Loserdasein verabschiedet. Ein Jahr lang sparen, dann ein Schiff nach Südamerika. Buenos Aires oder Caracas. Mit ein paar Millionen Euro dürfte er eine Weile auskommen, genug Zeit, sich gründlich umzusehen. Nicht unbedingt in Verbrecherkreisen. Vielleicht als privater Security-Service? Warum nicht?
Zur Mittagszeit wurden im El Zócalo Schnellgerichte serviert. Müllmänner, Klempner, Maurer und Angestellte aus kleinen Läden, kein besonders gutes Publikum. Bruna hatte sich passend angezogen, saß am Tresen, aß Salat, trank Bier und verfolgte Bermudez’ Hin und Her. Seit einer Weile schon war
Weitere Kostenlose Bücher