Die Maschen des Schicksals (German Edition)
kennengelernt haben, und sie hätte schwören können, keiner von denen war unter siebzig.
„Und jetzt fahren wir in die Blossom Street“, kündigte ihre Großmutter an, als Courtney die Einkäufe zum Wagen trug. „Es dauert nicht lange, versprochen.“
Courtney biss sich auf die Zunge, um ihre Großmutter nicht daran zu erinnern, dass sie das bei ihrem letzten Halt auch schon gesagt hatte. Nach sieben weiteren Gesprächen waren sie losgefahren, und jetzt manövrierte Vera den Wagen auf den engen Parkplatz vor dem Wollgeschäft. Sie rollte ein paar Zentimeter vor, trat auf die Bremse, nahm ihren Fuß wieder herunter, damit sie weiterrollten, dann bremste sie wieder. Courtney hätte es voraussehen sollen, doch sie wurde überrumpelt. Ihre Großmutter knallte mit der Stoßstange so hart gegen die Parkuhr, dass sie beide nach vorn gerissen wurden.
„Oh, verdammt“, murmelte Vera.
Wenn „verdammt“ das stärkste Schimpfwort war, das Vera Pulanski kannte, dann war Courtney gerade danach, ihr einige weitere beizubringen.
Sie kletterte aus dem Wagen, drückte die schwere Tür zu und folgte ihrer Großmutter in den Laden. Courtney ging sofort auf den Kater zu, der im Schaufenster lag, um ihn zu streicheln.
„Hallo, Vera, wie geht’s?“, begrüßte eine zierliche junge Frau Vera.
„Lydia, wie schön, dich zu sehen. Das ist meine Enkelin Courtney. Courtney, das ist Lydia.“
„Hallo.“ Courtney winkte ihr zu.
„Kannst du stricken?“, wollte Lydia wissen.
Courtney zuckte die Schultern. „Ein bisschen.“
„Ich hab’s ihr mal während eines Sommers beigebracht“, rühmte sich Vera. „Sie hat es ganz schnell gelernt.“
Courtney hatte das zwar ganz anders in Erinnerung, aber sie wollte nicht unhöflich sein.
„Meine Enkelin bleibt dieses Jahr bei mir, solange ihr Vater in Brasilien arbeitet.“
Da sie keine Lust hatte, noch einmal den langen Ausführungen über den wichtigen Ingenieursjob ihres Vaters in Südamerika zuzuhören, wandte sich Courtney von der Katze ab und schlenderte im Laden umher. Sie hatte keine Vorstellung davon gehabt, wie viele unterschiedliche Arten von Wolle es gab. Ein in bunten Farben gestrickter Schal, der in einem der Regale ausgestellt war, gefiel ihr besonders. Dann entdeckte sie noch einen Filzhut, eine Tasche, eine Weste und einen Pullover.
„So einen Schal könntest du an einem Abend stricken“, sagte Lydia und hielt ihn hoch, damit Courtney ihn besser betrachten konnte.
„Echt?“
„Ja.“ Sie lächelte. „Mit Nadeln Größe dreizehn und einem Knäuel Wolle ist das ganz leicht gemacht. Du schlägst fünfzehn Maschen auf und strickst jede Reihe, so einfach ist das.“
„Wow.“ Courtney hatte Geld dabei, aber sie zögerte. Zwanzig Dollar waren wahrscheinlich nicht genug für die Nadeln und Wolle, und sie wollte ihre Großmutter nicht anpumpen.
Fünf Minuten später, nachdem Courtney sich ein paar gemusterte Socken angesehen hatte, legte Vera ihre Auswahl auf den Tresen neben der Kasse. Courtney wusste nicht, woran ihre Großmutter gerade strickte, aber irgendetwas schien sie immer in Arbeit zu haben. Schnell ging sie zu ihr hinüber.
„Hast du diese Socken gesehen?“, fragte Vera sie. Courtney nickte. „Diese neuen Wollfarben sind wirklich erstaunlich, was?“
„So was könntest du auch stricken“, sagte Lydia zu Courtney.
„Auf keinen Fall.“
„Hättest du denn Lust dazu?“
Courtney dachte kurz nach. „Ich denke schon“, gab sie schließlich zu.
„Das heißt: ja“, übersetzte ihre Großmutter. „Trag sie ein.“
„Mich eintragen, für was?“, wollte Courtney wissen.
„Für den Socken-Kurs“, erklärte ihre Großmutter. „Es wird Zeit, dass du ein paar Leute kennenlernst, ein bisschen rausgehst und etwas erlebst.“
„Wir würden uns freuen, wenn du dabei wärst“, versicherte ihr Lydia.
„Auf meine Rechnung“, fügte Vera dazu.
Courtney grinste und versuchte, dankbar auszusehen. Tatsächlich war es keine schlechte Idee. Sie hoffte nur, dass es in diesem Kurs wenigsten noch jemanden gab, der unter neunzig war.
5. KAPITEL
„V ergiss nie, dass du zwei Socken brauchst. Wie man dieses Kunststück fertigbringt? Stricke einen nach dem anderen, und verabschiede dich von der Vorstellung, dass sie identisch sein müssen!“
(Deborah Robson, Strickerin, Autorin, Verfasserin von Strickbüchern
www.nomad-press.com )
Lydia Hoffman
Ich versuche, wenigstens einen Teil des Wochenendes mit meiner Mutter zu verbringen. Seitdem Dad
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