Die Maschen des Schicksals (German Edition)
mir.
„Zum Unterricht heute gehört das Maschenaufnehmen für Norweger-Socken“, erklärte ich. „Es unterscheidet sich ein bisschen von dem, was ihr vielleicht kennt, aber ich habe einen guten Grund, das zu empfehlen.“
„Das hört sich aber kompliziert an“, meldete sich Bethanne und beobachtete genau, wie ich den Faden um die Nadel schlang. „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.“
„Ach, Himmel noch mal, du hast doch noch nicht mal gesehen, wie es geht“, fuhr Elise sie an, die anscheinend plötzlich die Geduld verlor. „Lass Lydia doch erst mal zeigen, was sie meint, dann kannst du dich immer noch beschweren.“
Bethanne schien in sich zusammenzusinken und sagte keinen Ton mehr.
„Ich zeig es euch einfach mal, Bethanne“, sagte ich schnell, um die gespannte Atmosphäre zu lockern. „Es ist nicht so kompliziert, wie es zuerst aussieht.“ Was immer Elise verärgert hatte, ganz offensichtlich ließ sie ihren Frust an der armen Bethanne aus. Schon als sie durch die Tür gekommen war, hatte ich gewusst, dass sie irgendetwas bedrückte.
„Meine Großmutter hat mir geraten, zwei rechts, zwei links zu stricken, statt rechts-links“, sagte Courtney.
Ich mochte Vera, die Großmutter des Mädchens, die eine erfahrene Strickerin und eine meiner Stammkundinnen war. Eigentlich war sie viel qualifizierter als ich, um Courtney etwas beizubringen, deshalb wunderte ich mich, dass sie es nicht tat.
„Was meinst du?“, fragte das Mädchen.
„Deine Großmutter hat recht. Die ‚Zwei rechts, zwei links‘-Methode sorgt dafür, dass der Socken mehr Elastizität bekommt, aber so weit sind wir noch nicht.“
„Oh, tut mir leid.“
Ich redete ein paar Minuten darüber, wie man einen Socken strickte, der richtig passte. Dazu reichte ich ein Ringmaß herum, das den Frauen half, die richtige Maschenanzahl für die benutzte Wollstärke auszurechnen. Bei den leichten Fäden benötigte man mehr Maschen, bei den schweren weniger.
„Haben alle bisher alles richtig mitbekommen?“, erkundigte ich mich.
Die drei nickten. Den Rest der Stunde verbrachte ich mit dem Maschenaufnehmen im norwegischen Stil und der Arbeit mit zwei Rundnadeln. Courtney verstand sofort jeden Schritt. Sie war als Erste fertig und blickte sich stolz um, während Elise und Bethanne noch mit Nadel und Garn kämpften.
Die meiste Zeit brauchte ich, um Bethanne zu helfen. Ich bin sicher, dass sie nicht gelogen hatte, als sie behauptete, vor Jahren gestrickt zu haben. Doch inzwischen konnte sie kaum den Faden und die Nadeln richtig halten. Bisher war mir noch nie eine so unsichere Frau begegnet, und ich muss gestehen, sie strapazierte meine Geduld.
Elises mürrische Art war nicht viel besser. Nachdem sie Bethanne zurechtgestaucht hatte, ließ sie kein überflüssiges Wort mehr fallen, und ich spürte, dass sie ihr Aufbrausen bedauerte. Allerdings hatte ich das unbestimmte Gefühl, als würde sie meine Kompetenz als Lehrerin anzweifeln. Das war nicht gerade angenehm.
Nachdem der Unterricht beendet war, alle ihre Handarbeitssachen zusammengepackt hatten und gegangen waren, fühlte ich mich wie nach einem langen Arbeitstag. Ich war vollkommen erschöpft.
„Wie war der Kurs?“, wollte Margaret wissen, die zu mir ins Hinterzimmer kam, als ich mir gerade einen Tee aufbrühte.
„Schrecklich.“
„Wirklich?“
Ich schüttelte den Kopf, weil ich nicht darüber reden wollte. Da kam mir der Gedanke, dass es meiner Schwester womöglich in Bezug auf ihre Probleme genauso gehen musste.
„Ich weiß jetzt schon, dass es kein guter Kurs wird“, sagte ich entmutigt.
Margaret kannte so eine pessimistische Einstellung von mir gar nicht. „Weshalb denkst du das?“
„Einfach so ein Gefühl …“
„Und das Gefühl ist?“
Ich seufzte. „Elise ist verschroben. Bethanne bricht ständig in Panik aus und ist überzeugt, dass sie nicht mehr stricken kann. Und Courtney ist verbittert.“
Ich fragte mich, ob ich es wohl bereuen würde, diesen Kurs angeboten zu haben.
8. KAPITEL
Bethanne Hamlin
N ach dem Strickkurs wartete Bethanne an einem der weißen schmiedeeisernen Tische vor dem French Café. Grant hatte sich widerstrebend darauf eingelassen, sie zu treffen. Doch es war ihr nicht entgangen, dass er einen öffentlichen Ort gewählt hatte, als würde er befürchten, dass sie ihm eine Szene machte.
Sie beabsichtigte keineswegs irgendetwas in der Art. Alles, was sie wollte, waren Rat und Hilfe. Sie hoffte, dass sie die Situation auf eine
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