Die Maschen des Schicksals (German Edition)
nicht sagte, was sie getan hatte, würde er einfach gehen. „Ich habe Annies Tagebuch gelesen.“ Sie war nicht stolz darauf, aber ihr Instinkt hatte ihr gesagt, dass etwas nicht stimmte. Das Blut war ihr schon bei den wenigen Eintragungen, die sie gelesen hatte, in den Adern gefroren. Annie hatte mit Drogen experimentiert und schlich sich nachts hinaus, um ihre „Freunde“ zu treffen. Die Jungs, von denen Annie schrieb, waren nicht diejenigen, die Bethanne kennengelernt hatte, und was während dieser heimlichen Treffen geschah, wagte sie sich gar nicht erst vorzustellen.
Grant setzte sich wieder. „Du hast
was
getan?“
„Ihr Tagebuch gelesen. Grant, du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie wütend sie auf uns beide ist. Sie macht Dummheiten mit … Dingen, von denen sie die Finger lassen sollte, und …“
Er zuckte die Schultern, als wollte er sagen, Bethanne hätte damit rechnen müssen. „Sie wird darüber wegkommen. Die Scheidung war ein Schock für sie, wir müssen ihr Zeit lassen.“
„Darüber wegkommen?“, wiederholte sie. Ihn schien das alles gar nicht zu interessieren. Sie hatte das Gefühl, an dem Schmerz in ihrer Brust ersticken zu müssen. Jetzt fragte sie sich, ob er immer so gefühllos gewesen war und sie es einfach nicht gemerkt hatte oder ob er sich in so kurzer Zeit verändert hatte.
„Das ist normal in so einer Situation.“
Normal? War es normal, dass er seine Familie verlassen hatte? Dass er den Menschen, die er geschworen hatte zu lieben und zu ehren, solchen Schmerz zufügte – und dann mit der Schulter zuckte, als wäre das alles gar nichts? Normal, dass Annie in ihrem Kummer und ihrer Wut riskierte, ihr Leben zu zerstören? Es brach ihr fast das Herz, wenn sie hörte, wie leichtfertig Grant über die Probleme ihrer Tochter hinwegging.
„Vielleicht hast du recht“, sagte Bethanne und starrte auf ihre Kaffeetasse. „Ich dachte nur, ich sollte dich warnen.“
„Wovor?“
„Vor Annies unbedeutendem Problem mit dem Hass.“ Sie hatte vorgehabt, ihm zu berichten, dass Annie laut Andrews Aussage plante, ihre Kampagne gegen Tiffany zu verschärfen. Doch jetzt würde sie es ihrem Exmann überlassen, sich damit zu beschäftigen.
„Gibt es noch was?“, fragte er ungeduldig.
„Eine kleine Angelegenheit.“ Sie umfasste die Tasse mit beiden Händen und vermied es, ihn anzusehen. Geldangelegenheiten mit ihm zu erörtern war ihr zuwider.
„Und?“ Er stieß einen langen Seufzer aus.
„Andrew hat sich für ein Footballcamp eingeschrieben.“ Ihr Sohn war ein talentierter Sportler, und Bethanne rechnete damit, dass er von der Universität ein Stipendium angeboten bekommen würde.
„Ja, das habe ich gehört.“
„Ich kann es nicht bezahlen.“ Es war demütigend, das zuzugeben, doch sie hatte keine andere Wahl. „Wenn du die Kosten für das Camp übernehmen könntest, würde ich mich um alles andere kümmern.“
„Was meinst du mit ‚alles andere‘?“, hakte er nach. „Was zum Beispiel?“
Sie hatte sich bereits Sorgen wegen einer Reihe von Kosten gemacht, die demnächst auf sie zukamen – Ausgaben, von denen sie nicht wusste, wie sie die bestreiten sollte. „Ich habe am Ende des Schuljahres eine Nachricht erhalten, dass sich die Sportbeiträge ab September verdoppeln. Die Schulgebühren haben nicht gereicht und … deshalb und wegen der Ausgaben für die Abschlussfotos, dachte ich, es wäre nur fair, wenn du das Camp bezahlen könntest.“ Sie erwähnte nicht, dass außerdem wieder neue Kleidung und noch hundert andere mit dem Schulbeginn zusammenhängende Ausgaben anfielen.
„Du kannst das Camp nicht bezahlen?“
„Ich könnte, aber dann bliebe nicht genug für das Haus übrig.“
Er schwieg einen Moment. „Das habe ich befürchtet“, grummelte er.
Sie konnte nur ahnen, was er damit meinte. „Ich habe nicht die Absicht, jedes Mal zu dir zu rennen, wenn ich Geld benötige“, versicherte sie ihm.
„Das tust du aber.“
„Ja, aber …“ Sicher würde er verstehen, dass die gesetzlich festgelegten Unterhaltszahlungen für die Kinder nicht im Entferntesten die Kosten deckten, die man benötigte, um zwei Teenager aufzuziehen.
„Bethanne, hör zu, ich kann dir nicht helfen. Bitte komm nicht wieder damit zu mir.“
„Aber …“
„Ich zahle dir Alimente und Geld für die Kinder. Hast du schon einen Job?“
Mit gesenktem Blick schüttelte sie den Kopf.
„Das habe ich mir gedacht. Hast du überhaupt gesucht?“, fragte er sarkastisch, als
Weitere Kostenlose Bücher