Die Maschen des Schicksals (German Edition)
einzuladen.
„Ich komme mit, sicher“, sagte Courtney. Es war nicht so, dass sie schon irgendwelche Pläne hatte. Und sich einen Film ansehen war sicher besser als die andere Möglichkeit, die sie hatte – mit ihrer Großmutter Bingo zu spielen. „Was wolltest du dir denn ansehen?“
Auf diese Frage schien Annie nicht vorbereitet zu sein. „Ist mir eigentlich völlig egal, und dir? Ich will einfach nur eine Weile mal raus.“
„Ich habe auch nichts Bestimmtes im Auge.“ Aber im Grunde hatte Courtney Lust auf eine nette romantische Komödie. Sie hätte gern ein bisschen gelacht.
Nachdem sie noch ein wenig geplaudert hatten, verabredeten sie eine Zeit und einen Ort. Punkt sieben setzte ihre Großmutter sie auf dem Weg zum Bingoabend vor dem „Pacific Place“ ab, und Courtney wartete vor dem Eingang, bis Annie kam. Bethanne, die ihre Tochter zum Kino brachte, winkte Courtney zu, während Annie aus dem Wagen sprang und die Beifahrertür zuschlug.
Kaum war das Auto ihrer Mutter außer Sichtweite, verschwand das Lächeln auf Annies Gesicht. „So, du kannst jetzt abhauen, wenn du willst.“
„Wie bitte?“
„Ich brauchte die Verabredung mit dir bloß, damit meine Mutter denkt, ich geh ins Kino.“
Courtney wusste nicht, ob sie verletzt oder wütend sein sollte. Überrascht war sie allerdings nicht so richtig. „Wo willst du denn hin?“, wollte sie wissen.
„Ich treffe mich mit ein paar Freunden.“
Die Botschaft war klar: Courtney gehörte nicht in diesen Kreis. Na gut, aber sie hatte nicht die Absicht, allein in der Stadt herumzuwandern. „Kann ich mitkommen?“
Annie bedachte sie mit einem prüfenden Blick und zuckte die Schultern. „Na gut, aber nicht in diesem Aufzug.“
„Was stimmt an meinen Klamotten nicht?“, fragte Courtney beleidigt.
Wieder zuckte Annie die Schultern. „Wahrscheinlich ist dein Outfit okay, aber du brauchst noch mehr Make-up.“
„Klar, einverstanden.“ Courtney hatte ihre Schminkutensilien in der Handtasche.
„Komm mit.“ Annie drehte sich plötzlich um und marschierte ins Pacific Place Center.
Courtney blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen, und sie bahnten sich einen Weg durch die Menge der Freitagabend-Einkäufer. Sie kamen an einen Verkaufsstand mit Designerkosmetik, an dem Annie stehen blieb, um die Auslage zu bewundern. „Der Lippenstift würde dir gut stehen“, behauptete sie und öffnete einen Stift in Purpurrot. Sie überprüfte den Preis, zog die Augenbrauen hoch und legte den Lippenstift wieder zurück.
Courtney hatte angefangen, sich für ein paar kleine Döschen mit Lidschatten zu interessieren, kam aber gar nicht dazu, sie genauer anzusehen. Annie war bereits weitergelaufen. Wieder musste sie sich beeilen, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Das Shopping-Center war grell ausgeleuchtet, laut und voller Menschen, die haufenweise Päckchen und Taschen mit sich schleppten.
Courtney sah, dass Annie auf die Toilette zulief. Gleich nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, verschwand Annie in einer der Kabinen, während Courtney vor dem Waschbecken stehen blieb. Sie stellte ihre Tasche ab und zog die Kosmetiktasche heraus. Als sie gerade etwas Lidschatten auflegte, kam Annie in einem völlig neuen Outfit aus der Kabine.
Statt der Bluse trug sie jetzt ein knallenges Haltertop und darunter einen Push-up-BH. Die Hose hatte sie durch einen superkurzen Jeansrock eingetauscht, der kaum ihre Oberschenkel bedeckte.
„Schockiert?“, fragte Annie und lachte. „Wäre meine Mutter auch, wenn sie mich so sehen könnte.“ Sie kniff die Augen zusammen und musterte Courtney. „Aber das wirst du ihr ja nicht sagen, oder?“
Die Frage unterstrich sie mit einem Blick, der Ärger versprach, sollte Courtney es doch tun. „Ich sage nichts.“
„Versprochen?“
Courtney nickte.
Annie entspannte sich und grinste. „Gut. Hier, ein Geschenk für dich.“ Sie warf Courtney den roten Lippenstift zu, den sie ein paar Minuten vorher angeschaut hatte.
Courtney fing ihn gerade rechtzeitig auf, bevor er auf dem Boden landete. Sie hätte schwören können, Annie hatte ihn wieder zurückgelegt.
„Eine meiner besonderen Begabungen“, erklärte Annie.
Courtney hoffte nur, dass sie nicht in der Nähe sein würde, wenn diese Kleptomanin verhaftet wurde. Sie konnte und wollte den Lippenstift nicht behalten. Nachdem ihre Mutter gestorben war, hatte sie eine Klautour durch einen teuren Klamottenladen unternommen. Die Sicherheitsleute hatten die
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