Die Masken der Niedertracht
das perverse Spiel ins Schleudern geraten; denn der Perverse zieht es vor, mittelbar zu töten – oder, genauer, den anderen dahin zu bringen, sich selbst zu töten.
Die Zeichen der Feindseligkeit zeigen sich nicht in Momenten der Erregung oder Krise. Sie sind beständig da, andauernd, in kleinen Andeutungen, jeden Tag oder mehrmals pro Woche, monatelang, ja sogar jahrelang. Sie äußern sich nicht in zornigem Benehmen, sondern in einem kalten, das eine Wahrheit ausdrückt oder eine Gewißheit. Ein Perverser weiß, wie weit er gehen kann; er weiß seine Gewalt abzuwägen. Wenn er spürt, daß man ihm widersteht, macht er geschickt kehrt.
Die Aggression wird in kleinen Dosen verabreicht, wenn Zeugen zugegen sind. Wenn das Opfer reagiert und der Provokation in die Falle geht, indem es den Ton hebt, so scheint es, als sei es das Opfer, das aggressiv ist, und der Aggressor spielt sich als Opfer auf.
Die Andeutungen beziehen sich auf Erinnerungsspuren, die zu erkennen allein die Opfer imstande sind. Es geschieht nicht selten, daß die Richter, die angerufen werden, über diese komplizierten Verhältnisse zu entscheiden, in einem Scheidungsfall zum Beispiel, trotz ihres Mißtrauens und ihrer Vorsichtsmaßnahmen selbst unsicher werden und eben dadurch ihrerseits manipulierbar.
Es handelt sich um das, was Emil Coccaro in einer Studie über die Biologie der Aggressivität als «Raubtieraggressivität» bezeichnet hat. Es handelt sich um die Handlung von Individuen, die ihr Opfer auswählen und ihren Angriff planen, ungefähr so, wie es ein Raubtier mit seiner Beute tut. Die Aggression ist nur das Werkzeug, das es dem Aggressor ermöglicht zu bekommen, was er will.
Desgleichen ist es eine asymmetrische Gewalt. Bei der symmetrischen Gewalt akzeptieren beide Gegner die Konfrontation und den Kampf. Hier aber erklärt sich der, der die Gewalt in die Tat umsetzt, für naturgemäß überlegen; und im allgemeinen stimmt der, der die Gewalt erleidet, dem zu. Dieser Typus hinterhältiger Gewalt wurde von Reynaldo Perrone «Strafgewalt» genannt. In diesem Fall gibt es keine Pause, keine Versöhnung – daher diese versteckte, intime Gewalt, die sich hinter verschlossenen Türen abspielt. Nichts sickert nach draußen. Derjenige, der dem anderen das Leid auferlegt, ist der Meinung, dieser verdiene es und habe kein Recht, sich zu beklagen. Wenn das Opfer widersteht und gerade dadurch aufhört, sich als fügsames Objekt zu betragen, wird es als bedrohlich oder aggressiv angesehen. Derjenige, der anfangs Wegbereiter der Gewalt war, spielt sich als Opfer auf. Das Schuldgefühl unterdrückt dann die Abwehrreaktion des ursprünglichen Opfers. Jede Reaktion der Erregung oder des Leids zieht beim Aggressor eine Steigerung der Gewalt oder ein Ablenkungsmanöver (Gleichgültigkeit, geheuchelte Verwunderung ...) nach sich.
Der Prozeß, der sich einstellt, gleicht einem wechselseitig phobischen Prozeß: Allein schon die Vorstellung der gehaßten Person reizt den Perversen zu kalter Wut; allein schon die Vorstellung seines Peinigers löst beim Opfer einen Prozeß der Angst aus.
Wenn ein Perverser eine Beute gewählt hat, läßt er sie nicht mehr los. Häufig läßt er offen wissen: «Ab jetzt wird es mein einziges Lebensziel sein, ihr das Leben zur Hölle zu machen.» Und er findet Mittel und Wege, dies zu bewerkstelligen.
Der kreisförmige Prozeß, einmal in Gang gekommen, kann nicht von alleine anhalten, weil das pathologische Repertoire eines jeden sich erweitert: Der Perverse wird immer demütigender und gewaltsamer, das Opfer immer ohnmächtiger und tiefer verletzt. Nichts beweist, was sich da wirklich abspielt. Wenn körperliche Gewalt vorliegt, gibt es äußere Beweismittel: ärztliche Protokolle, Augenzeugen, Feststellungen der Polizei. Bei einer perversen Aggression gibt es keinerlei Beweis. Sie ist eine «saubere» Gewalt. Man sieht nichts.
Der andere wird in die Enge getrieben
Während der Phase des beherrschenden Einflusses ist das Vorgehen des narzißtischen Perversen vor allem darauf gerichtet, sein Opfer am Denken zu hindern. In der folgenden Phase löst er in ihm Gefühle, Taten, Reaktionen aus, und zwar mittels Befehlsmechanismen.
Wenn der andere über ausreichende perverse Abwehrmittel verfügt, um das Spiel des «Sichüberbietens» zu spielen, entbrennt ein perverser Kampf, der nur durch das «Sichergeben» des weniger Perversen der beiden ein Ende finden kann.
Der Perverse versucht, sein Opfer dahin zu
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