Die Masken der Niedertracht
sondern um Mißgunst, die sich in Haß verwandelt. Es geht auch nicht um diesen Wechsel Liebe – Haß, den Lacan «hainamoration» 22 nannte; denn auf der Seite des Perversen hatte es niemals Liebe im eigentlichen Sinn des Wortes gegeben. Man kann sogar, in Anlehnung an Maurice Hurni und Giovanna Stoll 23 , vom Haß der Liebe sprechen, um die perverse Beziehung zu beschreiben: Zunächst ist es Nicht-Liebe unter dem Deckmantel des Verlangens – nicht nach einer Person selbst, sondern nach dem, was sie noch zusätzlich hat und der Perverse sich aneignen möchte. Dann ist es ein versteckter Haß, geknüpft an die Frustration, vom anderen nicht so viel zu bekommen, wie man gern hätte. Wenn der Haß offen zum Ausbruch kommt, dann mit dem Wunsch nach Zerstörung, der Vernichtung des anderen. Selbst im Laufe der Zeit wird der Perverse diesem Haß nicht entsagen. Das ist eine selbstverständliche Gewißheit für ihn («Weil es so ist!»), selbst wenn die Beweggründe für diesen Haß für alle anderen inkohärent sind.
Wenn er diesen Haß begründet, dann mit einer Belästigung des anderen, die ihn wiederum zu Notwehr veranlassen würde. Dabei zeigen sich bei ihm – wie bei Paranoikern – die Vorstellungen von Schaden oder Verfolgung, als Vorgriff auf die erwarteten Verteidigungsreaktionen, die zu strafbaren Verhaltensweisen führen, aber auch eine prozeßsüchtige Betriebsamkeit. Alles, was schiefläuft, ist Schuld der anderen, die sich gegen ihn verschworen haben.
Durch ein Phänomen der Projektion entspricht der Haß des Aggressors dem Ausmaß des Hasses, den, wie er glaubt, das Opfer ihm entgegenbringt. Für ihn wird es zu einem zerstörerischen Ungeheuer, gewalttätig, unheilvoll. In Wirklichkeit vermag das Opfer in diesem Stadium weder Haß noch Zorn zu empfinden, wodurch es sich wenigstens schützen könnte. Der Aggressor schreibt ihm böse Absicht zu und kommt dem zuvor, indem er als erster angreift. Das Opfer macht sich in jedem Fall und ständig des Delikts der bösen Absicht schuldig.
Dieser Haß ist, projiziert auf den anderen, für den narzißtischen Perversen ein Mittel, sich vor größeren Störungen – aus dem Bereich der Psychose – zu schützen. Er ist auch Mittel – falls er sich auf eine neue Beziehung eingelassen hat – sich gegen jeden unbewußten Haß auf den neuen Partner zu schützen. Indem man den Haß auf den vorherigen fokussiert, schützt man den neuen, dem man alle Tugenden zuschreibt. Wenn das Opfer dieses Hasses sich bewußt wird, daß es dazu dient, die neue Beziehung mit dem Rivalen oder der Rivalin zu stärken, muß es sich um so mehr in der Falle gefangen und manipuliert fühlen.
Die Welt der narzißtischen Perversen ist aufgeteilt in Gut und Böse. Es tut nicht gut, zur bösen Seite zu gehören. Trennung oder Abstandnehmen tragen keineswegs dazu bei, diesen Haß zu besänftigen.
Bei diesem Vorgang hat jeder Angst vor dem anderen: Der Aggressor fürchtet die Allmacht, die er auf seiten seines Opfers wähnt; das Opfer fürchtet die psychische, aber auch die physische Gewalt seines Aggressors.
Die Gewalt wird ausgeübt
Es handelt sich um kalte, verbale Gewalt, die aus Verleumdung besteht, aus feindlichen Andeutungen, Zeichen der Herablassung und aus Beleidigungen. Die zerstörerische Wirkung beruht auf der Wiederholung anscheinend harmloser, aber anhaltender Aggressionen, von denen man weiß, daß sie niemals aufhören werden. Es handelt sich um eine lebenslängliche Aggression. Jede Beleidigung ist Echo vorhergehender Beleidigungen und hindert das Vergessen – was sich das Opfer wünschen würde, der Aggressor ihm aber verweigert.
An der Oberfläche bemerkt man nichts, oder fast nichts. Es ist eine Katastrophe, die die Familien, die Institutionen oder die Individuen implodieren läßt. Selten ist die Gewalt körperlich, falls es dazu kommt, ist sie Folge einer zu heftigen Reaktion des Opfers. In diesem Fall läge ein perfektes Verbrechen vor.
Die Drohungen sind immer indirekt, verschleiert: Man richtet es so ein, daß das Opfer von gemeinsamen Freunden, die selbst manipuliert sind, oder von den Kindern erfährt, was geschehen wird, wenn das Opfer sich nicht nach den Wünschen seines Partners richtet. Man läßt Briefe oder Telegramme los, die von den Opfern häufig als Paket- oder Zeitbomben beschrieben werden.
Wenn sich einer subtilen Gewalt (Erpressung, verschleierte Drohungen, Einschüchterungen) wirkliche Gewalttaten, bis zum Mord, hinzugesellen, dann ist
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