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Die Masken der Wahrheit

Die Masken der Wahrheit

Titel: Die Masken der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Unsworth
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waren. Die Dunkelheit senkte sich bereits hernieder. Wie zuvor saßen wir um das Feuer herum, doch war es diesmal ein klägliches Feuer, und wir mußten sehr sparsam mit dem noch vorhandenen Brennmaterial umgehen, da wir kein Geld hatten, neues zu kaufen – unsere Barschaft war fast völlig aufgezehrt, nachdem wir für die nächste Nacht die Miete für den Schuppen bezahlt hatten.
       Als neuestes und unbedeutendstes Mitglied der Theatertruppe mußte ich als erster berichten, was ich herausgefunden hatte. Ich begann mit jenen Informationen, die inzwischen wahrscheinlich jedem von uns bekannt waren; die besonderen Erkenntnisse hob ich mir für den Schluß auf. Der Knabe, Thomas Wells, war zwölf Jahre alt gewesen und ziemlich klein für sein Alter. Er hatte nur selten gelächelt, weil der trunksüchtige Mann, mit dem seine Mutter zusammenlebte, ihn häufig verprügelt hatte. Sein leiblicher Vater war entweder tot oder fortgegangen.
       »Der Vater stolzierte eines schönen Morgens davon«, sagte Springer. Er saß im Schneidersitz, doch durch eine ruckartige Bewegung des Körpers und das Vorschieben erst der einen, dann der anderen Schulter ahmte er einen Mann nach, der frisch und fröhlich dahinschritt. »Er zog in einen Krieg, heißt es. Das hat man von meinem Vater auch gesagt, aber ich hab’s nie geglaubt.«
       »Die Leute sind arm«, sagte Stephen. »Der Mann ist dem Baron de Guise zum Dienst verpflichtet. Er hat ein kleines Stück Land unter dem Pflug, nicht mehr als drei Hektar.«
       »Aber das Geld fürs Bier kann er aufbringen«, sagte Martin. »An dem Tag, als der Junge starb, war er betrunken. Betrunken und streitsüchtig. Am Ende hat der Wirt sich geweigert, ihm noch etwas auszuschenken. «
       »Werden wir das spielen?« fragte Springer mit geweiteten Augen. »Wenn er nun auf dem Hof ist, unter den Zuschauern?«
       »Der Teufel soll den Burschen holen – wir werden das Stück aufführen «, sagte Stephen. »Falls er sich mit mir anlegt, wird er’s bereuen.«
       »Der Kerl hat versucht, so zu tun, als wäre er nicht betrunken, damit der Wirt ihm doch noch Bier ausschenkte. Er nimmt all seine Kraft zusammen.« Straw streckte sich und hielt mit Mühe das Gleichgewicht, doch sein Kopf zitterte bei der Anstrengung, nüchtern zu wirken. Dann überkam ihn plötzlich ein Zittern, und dieses Zittern war nicht gespielt. Es war kalt im Schuppen, doch ich wußte, daß Straw Angst hatte.
       »Der Wirt wartet«, sagte Martin. »Der Mann kann sich nicht mehr geradehalten; die Beine werden ihm weich wie Pudding.« Und er spielte uns beides vor, zuerst den mißtrauischen Blick des Wirts und dann das Zusammensinken des Mannes, und es war sehr komisch.
       »Die Leute hatten ihre Kuh verkauft«, sagte ich, als das Gelächter geendet hatte. »Sie müssen wirklich arm sein, daß sie im Winter eine Färse verkaufen. Ihr Heu war vom Regen verdorben, und sie hätten das Tier nicht bis zum Frühjahr durchfüttern können. Das Geld, das der Junge bei sich trug, war der Erlös für die Kuh. Sie müssen das Tier irgendwo außerhalb der Stadt verkauft haben …«
       »Das Vieh wurde sechs Meilen von hier verkauft«, sagte Tobias, »in einem Dorf mit Namen Appleton, das am Rande des Sumpflands liegt. Der Mann und die Frau sind dort geblieben und haben in einer Schenke getrunken. Jedenfalls hat der Mann getrunken, und die Frau ist bei ihm geblieben. Was sie von dem Geld noch retten konnte, gab sie dem Jungen zur Aufbewahrung und schickte ihn damit nach Hause.«
       »Aber er kam nie dort an«, sagte Martin. »Er wurde am Nachmittag gesehen, zwei oder drei Meilen die Straße hinunter, und zwar von jemandem, der am Rand des Waldes Anmachholz sammelte.«
       »Man fand den Knaben eine halbe Meile vor der Stadt«, sagte Stephen, »dort, wo die Straße unterhalb des Gemeindegrundes verläuft. Ich bin dort gewesen und hab’s mir angeschaut. Der Weg ist dort schmal. Zur einen Seite reicht der Wald bis nahe an den Wegesrand; auf der anderen Seite liegt Brachland, das in Richtung des Gemeindegrundes ansteigt. Das Haus, in dem die Frau wohnte, befindet sich am Rand des Gemeindelandes, ein kleines Stück näher bei der Stadt.«
       »Sie hat dort mit ihrem Vater gewohnt, einem Weber«, sagte Straw. »Warum hat man nicht auch ihn festgenommen, wo doch das Geld in dem Haus gefunden wurde?«
       Darauf wußte niemand eine Antwort.
       »Der Beichtvater des Barons hat die Frau gesehen«, sagte ich. »Dieser

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