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Die Masken der Wahrheit

Die Masken der Wahrheit

Titel: Die Masken der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Unsworth
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Walddichter«, sagte Stephen. »Ich bin dort gewesen und hab’s mir angeschaut. Es wäre ein guter Treffpunkt.«
       Ich habe es schon einmal gesagt: Wir waren besessen. Zwar sahen wir die sich nähernde Gefahr doch konnten wir einfach nicht von diesem Spiel der Vermutungen ablassen oder auch nur dabei innehalten. Auch ich spielte meine Rolle und sprach meinen gleichsam vorgeschriebenen Text. »Der Mönch ist allein geritten«, sagte ich. »Niemand war bei ihm.«
       »Aber wenn die Frau die Straße herunterkam, um den Mönch zu treffen«, sagte Straw, »wo war dann der Junge? Wo war Thomas Wells? Hat er die beiden zusammen gesehen?« »Wir müssen mehr in Erfahrung bringen«, sagte Martin. »Dann könnten wir ein Stück machen, über das man in dieser Stadt ewig sprechen wird.«
       Sein Gesicht war bleich, die helle Haut fast durchscheinend, und der Mund mit der vollen Unterlippe war zusammengepreßt, wie immer, wenn er aufgeregt oder in Hochstimmung war. Nun widersprach ihm niemand mehr. Wir alle standen in dem engen Kreis beisammen wie Verschwörer, die einen geheimen Eid ablegten. Dann schauderte Straw und schlug die Arme um den Leib, als sei ihm kalt. »Es ist verrückt«, sagte er, und ich sah, wie Springer Straws Hand nahm.
       »Wir müssen mehr in Erfahrung bringen«, wiederholte Martin. »Wir müssen noch einmal hinaus in die Stadt.« Er blickte Margaret an. »Kannst du den Mann wiederfinden, diesen Flint, der den toten Jungen entdeckt hat?«
       »Ich kann nach ihm fragen«, sagte sie. »Wo sein Haus ist, weiß ich.« Sie schwieg einen Augenblick; dann fuhr sie fort: »Er hat sich unsere Vorstellung angeschaut. Am Eingangstor hat er seinen Penny bezahlt. «
       »Kannst du noch mal mit ihm tun, was du schon mal getan hast, und ihm als Gegenleistung eine Frage stellen?«
       »Und wie soll diese Frage lauten?«
       »Frag ihn, ob der Körper des Jungen gefroren war, als er ihn gefunden hat.«
       »Gefroren?«
       »Ja, ja«, sagte Martin mit plötzlicher Ungeduld. »Frag ihn, ob die Kleidung des Jungen weiß war von Reif und ob der Frost nur leicht gewesen oder ob der Stoff steif gefroren war. Die Leiche des Jungen wurde am frühen Morgen gefunden, kurz nach Anbruch der Dämmerung. An jedem der letzten Tage war der Boden hart gefroren. Erinnerst du dich, wie wir darüber gesprochen haben, was wir mit Brendan anstellen sollen? Wir mußten ihn hierherbringen, weil wir ihn in dem hart gefrorenen Boden ohne Hacke und Spaten nicht begraben konnten.«
       »Der Grund, weshalb wir Brendan hierhergebracht haben, war, weil du wolltest, daß er ein kirchliches Begräbnis bekommt.« Stephen war ziemlich nachtragend und hatte nur auf eine Gelegenheit gewartet, sich dieser Sache wegen ein wenig Luft zu machen. »Dann mußten wir den Priester bezahlen«, sagte er. »Und dann mußten wir uns dieses Stück ausdenken, um das Geld für den Pfaffen wieder hereinzubekommen.«
       »Und ist uns das nicht gelungen? Es mag ja stimmen, was du sagst, Bruder, aber das ändert nichts daran, daß an jedem der letzten Tage strenger Morgenfrost herrschte. Hätte der Junge die ganze Nacht am Straßenrand gelegen, die Dunkelheit als einzigen Schutz, dann wäre Eis in seinen Augenwinkeln gewesen, und der Frost hätte die Falten seiner Kleidung steif gefroren. War das nicht der Fall, muß er zur Straße geschleppt worden sein, oder er hat dort erst am frühen Morgen den Tod gefunden, nicht allzulange, bevor Flint ihn entdeckte.«
       »Früh am Morgen? Aber wer sollte um diese Zeit auf der Straße gewesen sein?«
       »Sein Mörder«, sagte Martin. In dem Schweigen, das seinen Worten folgte, drehte er den Kopf und betrachtete unsere Gesichter. »Wir werden uns aufmachen und zusehen, daß wir mehr darüber herausfinden «, sagte er. »Das Schauspiel, das wir aufgeführt haben, war das falsche Stück von Thomas Wells. Heute abend werden wir das wahre Stück aufführen. Und so werden wir es auch für die Leute ausrufen. Und morgen, wenn wir in Richtung Durham weiterziehen, wird jeder von uns Geld genug für einen Monat haben.«
       Geld genug für einen Monat! Für arme Schauspieler ist das Geld genug für immer. Mitunter stellt sich bei mir die Erinnerung an jenes Bild wieder ein: Martins Triumph, als er mit beiden Händen die Geldbörse in die Höhe hielt, mit genau der Geste eines Priesters, der die heilige Messe feiert. Inwieweit glaubte er selbst daran, was er uns erzählte? Er redete von wahr und falsch,

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