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Die Masken der Wahrheit

Die Masken der Wahrheit

Titel: Die Masken der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Unsworth
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 Es war das Geld, das uns zum Weitermachen bewegte; zumindest hatte ich damals den Eindruck. Ich weiß noch, wie wir dastanden und auf die Münzen starrten. Inzwischen ist viel Zeit vergangen, und es ist schwer für mich, heute noch mit Gewißheit zu sagen, ob es am Geld gelegen hat oder ob irgendeine fremde Macht das Geld bloß als Köder benutzte. Hätten an jenem Tag die guten und die bösen Mächte um unsere Seelen gerungen – ich glaube, Avaritia hätte nicht nur beim Kampf um die Seele der Frau, sondern auch beim Kampf um uns den Sieg davongetragen. Doch es war Winter; vor uns lagen noch mehrere Reisetage auf schlechten Straßen, und es war sehr wahrscheinlich, daß wir noch vor Erreichen des Zieles den Hungertod sterben würden. So kann es kaum verwundern, daß das Geld eine Verlockung für uns darstellte. Auf jeden Fall wage ich zu behaupten, daß wir in diesem Punkt nicht anders waren als der Beichtvater des Barons, der Mönch Simon Damian – so lautete sein Name, wie wir später herausfanden –, als dessen Bühnengestalt Martin am sonderbaren Schluß unseres Stückes die Geldbörse in die Höhe gehalten hatte, als wäre sie das heilige Sakrament. Denn weshalb befand der Mönch sich auf der Burg, allzeit bereit, der Familie de Guise zu Diensten zu sein, wenn nicht aus dem Grund, seinem Orden dadurch Güter und Privilegien zu sichern? Höchst unverdient, wie ich hinzufügen möchte; denn die Mönche befolgen nicht mehr ihre Ordensregeln, die ihnen eigenen Besitz untersagen, den Verzicht auf das Fleisch geschlachteter Tiere verlangen und ihnen auferlegen, ständig körperliche Arbeit zu verrichten und sich streng innerhalb der Grenzen der Klosteranlagen aufzuhalten. Statt dessen besitzen die Mönche Pferd und Hund und Waffen, und sie stopfen sich den Wanst mit Fleisch vom Rind und Hammel voll; die Feldarbeit wird von ihren Bediensteten getan, und die Mönche selbst reisen in geschäftlichen Dingen durch die Lande, so wie dieser hier. Es ist ein sonderbarer Gedanke, daß ich, genau wie bei Brendan, niemals das Gesicht des Mönchs zu sehen bekam, solange er lebte …
       Noch immer standen wir dort dicht beieinander, alle sechs. Straw schienen die Augen aus dem Kopf hervorzuquellen, und Springers Gesicht war gerötet und tränenfeucht. Auf Martins Stirn hatten sich trotz der Kälte Schweißperlen gebildet, doch seine Augen glänzten, als er das Geld sah. »Jetzt können wir unsere eigenen Schillinge in des Mönches Börse stecken«, sagte er; noch immer hielt er die Münzen in der Hand. »Nie im Leben habt ihr besser gespielt, Leute.«
       Margaret war mit der Sammelbüchse hinauf zur Galerie gegangen und hatte von den Zuschauern, die das Schauspiel von dort oben verfolgten, einen Obolus erbeten. Mehr als drei Shilling waren zusammengekommen. »Der Richter hat zu mir gesprochen«, sagte Margaret, und ihre gewohnte Miene der Gleichgültigkeit zerschmolz beim Gedanken an diese Auszeichnung. Ihr Gesicht sah jünger aus, und sie hob den Kopf und öffnete den Mund weiter als sonst, als sie fortfuhr. »Er hat mir Fragen gestellt«, sagte sie, »und eine ganze Weile mit mir geredet. Er sagte, ich sähe gut aus und würde gewiß meinen Weg machen.«
       »Der Mann erkennt eine Hure, wenn er sie sieht«, knurrte Stephen.
       Unter der Sonnenbräune vieler Jahre wirkte Tobias’ wettergegerbtes Gesicht plötzlich aschfahl, und fest hatte er die Kiefer zusammengepreßt. »Wir haben hier irgend etwas in Gang gesetzt, Brüder«, sagte er. »Laßt uns das Geld nehmen und verschwinden. Ich wußte von Anfang an, daß es eine Dummheit war.«
       »Du warst der erste, der sich dafür ausgesprochen hat«, sagte ich, und er funkelte mich zornig an. Wir alle befanden uns in jenem Zustand der Erschöpfung, in dem es gleichermaßen normal erscheint, sich zu streiten oder sich in die Arme zu fallen.
       »Warum hat der Gute Rat sich nicht an das Stück gehalten?« fragte Tobias. »Du hast auf derselben Bühne gestanden wie wir anderen. Aber was tust du? Statt an der Aufführung mitzuwirken, schwafelst du irgendwelchen Unsinn über kaltes Wetter und Kapuzen.«
       »Ich war es nicht, der geschwafelt hat«, sagte ich. »Stephen hat damit angefangen, als er das Publikum nach dem Geldversteck gefragt hat. Dann hat Straw sofort in die gleiche Kerbe gehauen, ohne daß einem die Zeit geblieben wäre, sich darauf einzustellen.«
       Doch die Schelte und die Schuldzuweisungen waren sinnlos. Irgend etwas war in uns gefahren,

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