Die Masken der Wahrheit
nicht. Extra ecclesiam nulla salus .«
»Ihr sprecht wie dieser Diener des Antichristen, der hierherkam, meine Tochter mitnahm und mich mit meinen Ziegen und Gänsen allein ließ, so daß ich mich nun ebenso um sie kümmern muß wie um meinen Webstuhl«, sagte er. »Hat der Gehörnte Euch geschickt? Seid auch Ihr einer aus der Heerschar des Antichristen? Ihr tragt geliehene Kleider, und das ist ein Zeichen dafür.« Er spuckte zur Seite und bekreuzigte sich. »Wer immer Ihr seid«, sagte er, »und wer immer Euch geschickt hat, ich sag’ Euch noch einmal, daß hier kein Geld gefunden wurde. Sie hassen mich, weil ich durch die Lande ziehe, Zeugnis ablege und meine Stimme gegen die Reichen und die Priester erhebe. Sie wissen, daß ihre Tage gezählt sind … Sie möchten mich vor den Richter zerren, doch sie fürchten sich davor, daß das Volk sich erheben wird, wenn sie’s ohne triftigen Grund tun. Es braucht jetzt nicht mehr als einen Funken, um das Feuer zu entfachen. Ich bin einer der Vorboten. So wie das Unkraut ausgerissen und in den Flammen verbrannt wird, so wird es am Ende der Welt sein, und die Verderbten werden bis in alle Ewigkeit in der Hölle wehklagen.«
»Aber man hat nicht Euch mitgenommen, sondern Eure Tochter«, sagte ich. »Über sie wurde das Todesurteil gefällt.«
»Mich mitnehmen? Wie hätten sie mich denn mitnehmen können?«
Für einen Augenblick dachte ich, daß er sich auf des Herrgotts besonderen Schutz berufen wollte. Ich setzte zu einer Erwiderung an, doch er hob die Hand, um mich daran zu hindern – die Geste des Redners, der einer Unterbrechung zuvorkommen will: der Arm im Ellbogen gebeugt, wobei die Hand in einem leichten Winkel mit der Innenfläche nach außen gekehrt wird. Ich beschloß, mir diese Geste einzuprägen. »Ihr wißt nichts von alledem«, sagte er. »Ihr seid hier ein Fremdling. Warum kommt Ihr und stellt mir Fragen?«
Da erzählte ich ihm, daß ich Schauspieler sei und daß meine Truppe das ›Wahre Stück von Thomas Wells‹ aufführen wolle und daß wir herauszufinden versuchten, was wirklich geschehen sei, um es den Leuten zu zeigen.
»Ihr würdet es in einem Schauspiel aufführen?« fragte er. »Ihr würdet ein Stück machen über etwas, das sich wirklich zugetragen hat?«
»Wir könnten zeigen, was die Wahrheit ist, indem wir ein Stück daraus machen«, sagte ich.
In seinem Gesicht stand zu lesen, daß er dieses Vorhaben für verdammenswert hielt, was ich gut verstehen konnte, weil ich in gewisser Weise genauso dachte. Er schwieg für längere Zeit, saß mit gesenktem Kopf da und starrte düster vor sich hin. »Und diesen Teufelsgehilfen, diesen Mönch namens Simon Damian … auch ihn würdet ihr zeigen? Einer von euch würde ihn vor dem Publikum darstellen?«
»Gewiß.«
»Schauspieler sind eine Brut des Satans«, sagte er mit grüblerischer Stimme.
»Wir werden ein wahres Stück daraus machen«, sagte ich, »soweit wir die Wahrheit herausfinden können.«
»Also gut«, sagte er, »es braucht einen Dieb, um einen Dieb zu fangen. Ich will es Euch erzählen. Sie sind meinetwegen gekommen. Sie sind gekommen, um in meinem Haus das Geld zu finden, aber ich war nicht da.«
»Und wo wart Ihr?«
»Ich war im Haus von Freunden, in einem Weiler namens Thorpe, drei Stunden Fußmarsch von hier. Ich bin über Nacht geblieben. Es waren Brüder des Geistes dort, die von weither gekommen waren – aus Chester. Wir blieben gemeinsam in dem Haus; wir haben gebetet und Zeugnis abgelegt. Viele Leute können das beeiden. Ich habe es auch dem Sheriff des Lords gesagt, doch hat’s meiner Tochter nicht geholfen. Der Mönch hat abgestritten, daß er wegen mir gekommen war.«
»Also war nur Eure Tochter im Haus, als der Mönch hierherkam?«
»Ja, nur meine Tochter.«
»Und das wußte er nicht?«
»Wie hätte er’s denn wissen sollen? Wenn er es gewußt hätte, wäre er gar nicht erst gekommen.«
»Aber das führt uns im Kreis herum«, sagte ich, denn mein Sinn für Logik war verletzt.
»Hört zu, Ihr Spielmeister oder Teufelsbote oder was immer Ihr seid. Seit Jahren sind sie nun schon hinter mir her, weil ich die Stimme gegen die Mönche und Klosterbrüder erhebe, vor allem gegen die Benediktiner, die faulsten und verderbtesten von allen. Dieser Simon Damian ist ein Sendung der Hölle. Er dient dem Baron und hilft ihm, vom Erlös für unserer Hände Arbeit ein Leben
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