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Die Masken der Wahrheit

Die Masken der Wahrheit

Titel: Die Masken der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Unsworth
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behauptet, bei ihnen wäre kein Geld gefunden worden. Er war in jener Nacht nicht daheim. Dafür gibt es Zeugen.« Ich erzählte den anderen von meinem Besuch beim Weber und was er gesagt hatte und was für eine Art von Mann er war. »Er meint, die Häscher wären seinetwegen gekommen; sie hätten nicht gewußt, daß er nicht zu Hause war. Er predigt vom Jüngsten Gericht und hat Anhänger im gemeinen Volk.«
       »Als der Mönch die Geldbörse in die Höhe hielt, war es zu spät, den Plan zu ändern.« Straw ahmte die Bestürzung des Benediktiners nach; weit breitete er die Arme aus und spreizte die Hände. »O grausames Schicksal«, sagte er. »So lange auf eine Gelegenheit zu warten und dann feststellen zu müssen, daß der Weber zur fraglichen Zeit gar nicht daheim ist.«
       Springer lachte über diese kleine Aufführung, und einen. Augenblick später lachte auch Straw, schaute sich dabei jedoch unbehaglich um. »Aber wie kam die Gelegenheit zustande?« fragte er.
       Schritt für Schritt näherten wir uns dem Bösen, und wir alle wußten es. In diesem Schuppen voller verzerrter Gestalten und Schatten von Masken und Kostümen und Waffen, die niemanden verwunden würden, und begleitet vom Läuten der Kirchenglocken hoch über uns und dem Geklapper draußen auf dem Hof, bewegten wir uns auf Evas Apfel, das Wissen von Gut und Böse, zu.
       »Demnach«, sagte Martin, »mußte der Mönch, nachdem er die Geldbörse gefunden hatte, einen Grund dafür nennen und erklären, weshalb er zu dem Haus gegangen war und einen Begleiter mitgenommen hatte. Und da sagte er, er habe das Mädchen in der Nähe der Straße gesehen. Es sind alles Lügen; sie war niemals dort.« Er schaute uns an, einen nach dem anderen, und in seinem Blick war ein Flehen: Er bat uns gleichsam, ebenfalls die Unschuld des Mädchens zu erkennen. »Man hat ihr Licht in die Zelle gegeben«, sagte er wie zu sich selbst. »Vielleicht gibt es da jemanden …«
       »Martin, man wird sie hängen, und wir können’s nicht ändern«, sagte Tobias, und in seiner Stimme lag Mitleid, auch wenn es nicht dem Mädchen galt.
       »An der Kleidung und am Körper des Jungen zeigten sich keinerlei Spuren von Frost oder Erfrierungen«, sagte Margaret. »Ich habe Flint wiedergefunden und er mich, und er hat sich sehr darüber gefreut. Als Flint die Leiche von Thomas Wells entdeckte, war sie zwar kalt und starr, aber vom Frost unberührt. Das Gras ringsum war weiß bereift, der Körper des Jungen aber nicht. Zu dem Zeitpunkt hat Flint nichts von alledem wahrgenommen, denn es beschäftigte ihn zu sehr, daß er die Leiche gefunden hatte, doch er ist sich im Rückblick ganz sicher.«
       »Gütiger Himmel«, sagte Tobias. »Wenn das Geld bloß genommen wurde, um wiedergefunden zu werden, dann war ein Raub gar nicht der Grund für die Ermordung.«
       »Der Mönch und der Junge waren zur selben Tageszeit auf der selben Straße unterwegs«, sagte Springer mit seiner hohen, klaren Stimme. »Es könnte sein, daß der Mönch ihn ausgefragt hat. Thomas Wells hätte einem Mann von Rang und Ansehen die Wahrheit gesagt. Er hätte ihm die Geldbörse gezeigt und wäre stolz auf das Vertrauen gewesen, das man in ihn setzte …«
       »Also sah der Mönch eine Möglichkeit, den Weber zum Schweigen zu bringen«, meinte Straw. »Das würde die Würgemale erklären. Auf eine solche Art und Weise hätte der Weber sein Opfer durchaus töten können.«
       »Das Mädchen hat mir ihre Hände gezeigt«, sagte Martin. »Sie sind rauh von der Arbeit, rauher als die meinen.« Er öffnete die Hände und betrachtete sie. »Ihre Hände sind schmal und die Knochen klein«, sagte er. Keiner wußte, was er darauf sagen sollte, weil Martins Gesicht so abwesend wirkte. Vielleicht waren wir einfach froh darüber, nicht weiter über das Szenarium nachzudenken – jedenfalls im Augenblick nicht –, das wir gemeinsam ersonnen hatten: die einsame Landstraße, das Gefühl der nahenden Nacht, die freundlichen Fragen des Mönchs, die Bereitwilligkeit des Jungen zu antworten …
       Springer und Straw waren zusammen zur Burg hinaufgegangen und hatten an den Toren und im Vorhof gesungen und akrobatische Kunststücke vollführt. Sie hatten mit Frauen gesprochen, die Wäsche wuschen, und mit den Soldaten im Wachthaus hinter dem Tor.
       »Keiner hat sich viel aus dem Tod des Jungen gemacht«, sagte Straw. »Die Leute wußten zwar davon, aber dort oben führen sie ein anderes Leben. Sie haben nur

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