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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Und das nennt sich dann Demokratie – Herrschaft des Volkes.«
    »Ihr seid ein Zyniker, Hoheit.«
    »Nein, ich bin ein Realist. Nur deshalb ziehe ich in diesen Tagen an so vielen Fäden wie möglich. Niemand wird mich daran hindern, unsere Stellung in der neuen Ordnung zu festigen, auch nicht die sogenannten Freien. Ich werde am 13. Juli in Paris sein. Danke, dass Ihr mir die Botschaft überbracht habt.« Morpheus reichte Nostradamus die Hand.
    In dem Augenblick, als der Hagere einschlagen wollte, machte Morpheus einen Rückzieher, sodass nur seine Fingerspitzen die des Boten berührten. Der war völlig überrumpelt, von dem, was darauf geschah. Mit brutaler Gewalt zog Morpheus den Swapper zu sich in Arians Körper. Zurück blieb eine leere Hülle, die zusammenklappte wie eine von ihren Fäden abgeschnittene Marionette.
    Nostradamus hatte sich schon früher gegen Tauscher wehren müssen, die sich mit ihm verschmelzen wollten. Er wehrte sich geschickt und mit erstaunlicher Kraft. Morpheus versuchte ihn ganz zu umschließen, um vollends die Oberhand zu gewinnen. Es war, als versuche er ein nasses Stück Seife zu greifen, das ihm immer wieder entglitt. Bald erlahmte der Widerstand des Boten. Die Macht des Uralten war einfach zu groß. Schließlich gab Nostradamus jede Gegenwehr auf.
    Wer soll zwischen Euch und den Freien noch vermitteln, wenn ich nicht mehr bin?, fragte sein Geist verzweifelt.
    Ein Mittelsmann darf sich auf keine Seite schlagen. Du hast diese eherne Regel gebrochen, erwiderte Morpheus zornig.
    Was redet Ihr da? Das stimmt nicht.
    Willst du mir wirklich weismachen, deine Nachricht stamme aus der Feder von Casanova, diesem zänkischen alten Trottel?
    Ich überbringe nur die Botschaft, sonst nichts.
    Du bist ein Narr. Tobes’ Sohn war auf dem Weg nach Phobetor. Ikela muss ihn überwältigt haben und benutzt ihn jetzt, um mich in eine Falle zu locken.
    Davon weiß ich nichts.
    Schluss mit den Ausflüchten! Du kannst entweder für mich oder gegen mich sein. Entscheide dich. Morpheus verstärkte den Druck. Die Verschmelzung mit dem sich windenden Geist des anderen war nur einen Gedanken weit entfernt. Da endlich antwortete Nostradamus.
    Ich bin auf Eurer Seite, Herr.

Um Morpheus eine Falle zu stellen,
kehrt Arian in die Stadt an der Seine zurück.
Paris hat sich verwandelt.
In eine schreckliche Bestie.
         
        
        
    Paris, 12. Juli 1793
        
    Nur einen Tag vor der vereinbarten Zusammenkunft mit Morpheus trafen Arian, Mira, Tarin und Ikela in Paris ein. Ihre Eskorte bestand aus zwei Dutzend auserlesenen Kriegern. Der Tross hätte es fast nicht mehr rechtzeitig geschafft.
    Hinter ihnen lagen zwölf anstrengende Tage zu Pferde bei Hitze, Staub und Regen. Trotz der leidlich bekannten Mühsale weiter Reisen hatte die Herrin von Phobetor auf ihre Kutsche verzichtet, um schneller voranzukommen. Sie schonte niemanden, zuallerletzt sich selbst. Dabei entpuppte sie sich als überraschend gute Reiterin. Den Umgang mit Rössern, so ihre Erklärung, habe sie in ihrer Geburtsstadt gelernt, dem makedonischen Pella. Damals hieß Ikela noch Olympias.
    Der Tross war nach Verlassen ihrer Burg gleich bei St. Goar auf die linke Rheinseite übergewechselt. Über Trier und Luxemburg in den Österreichischen Niederlanden – eine der stärksten Festungen der Welt – ging es nach Frankreich hinein. Der nächtliche Grenzübertritt verlief ohne Zwischenfälle.
    Danach wechselte Ikela die Tarnung. Sie gab sich als Verlobte des verwitweten Bürgers Alexandre Michel aus, der mit seiner Familie in die Hauptstadt reise. Jeder bekam von ihr eine Rolle zugewiesen: Tarin und Mira die ihrer Kinder, und da Arian am ältesten aussah, die des Gatten, eines wohlhabenden Kaufmanns aus Straßburg.
    In Reims wäre die Maskerade fast aufgeflogen, weil ein Kommissar der Republik Lunte gerochen hatte. Diese vom Wohlfahrtsausschuss bevollmächtigten Schnüffler durchkämmten das Land nach »Volksfeinden« und waren Nachschublieferanten für la raccourcisseuse – »die Kurzmacherin« –, wie die Köpfmaschinen auch genannt wurden. Ikela hatte sich darauf flugs in einen Straßenköter hineinversetzt und den revolutionären Tugendwächter in die Wade gebissen. Nachdem der Jakobiner so in den läuseverseuchten Pelz des Vierbeiners gebannt worden war, wechselte sie mit einem Tauscher aus ihrer Garde den Körper und kehrte zuletzt wieder in den eigenen zurück. Ihr Leibwächter begleitete die Reisegesellschaft nun als Kommissar, was

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