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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Straße, die vor einer Mauer nach rechts abknickte. Hinter dem Blickschutz ragten große Laubbäume auf. Ein Spalier aus Lanzen mit vergoldeten Spitzen – in Wirklichkeit ein schmiedeeisernes Tor – gewährte einen Blick auf ein schneeweißes Palais.
    »Niedlich«, sagte Ikela.
    Mira ignorierte die wenig schmeichelhafte Bemerkung. Inzwischen hatten sie sich an die Mischung aus Selbstgefälligkeit und mütterlicher Anteilnahme gewöhnt, die der Herrin von Phobetor ihren eigenwilligen Charme verlieh.
    Vor dem Tor kam der Tross zum Stehen. Der Kommissar im Hundepelz sank erschöpft zu Boden und leckte sich die wunden Pfoten.
    Arian fand das Hôtel de Lys mehr als nur niedlich. Es war dreigeschossig und verfügte wohl über mindestens dreißig Zimmer. Das oberste Stockwerk lag unter einem schiefergedeckten Dach, das nach allen Seiten hin steil abfiel. Das Gebäude bestand aus einem Querbau mit Mittel- und Eckpavillons. Arian gefiel das elegante Palais besser als Hercules Hall , das wuchtige Londoner Stadthaus seines Adoptivvaters.
    Ehe Mira den Torschlüssel aus ihrem Gepäck herauskramen konnte, hatte man die Ankunft der Reisegesellschaft bereits bemerkt. Die Haustür flog auf und die hünenhafte Gestalt von Hooter erschien. Er schrie etwas, das wie Prinzessin klang und eilte die Freitreppe hinab ins Freie.
    »Zed!«, rief Mira. Sie war sichtlich erleichtert, ihren alten Diener in seinem neuen Körper wohlbehalten wiederzusehen.
    Derweil die Reiter abstiegen, lief Zedekiah Blacksmith über den kiesbestreuten Weg zum Tor und schloss es auf. Dann fielen er und das Mädchen sich in die Arme.
    »Herzallerliebst«, sagte Ikela und versuchte an den beiden vorbei das Tor zu durchqueren.
    Zeds Hand schnellte vor und hielt sie am Arm fest.
    Mit versteinerter Miene sah sie erst seine Pranke und danach sein Gesicht an. »Das willst du nicht wirklich.« Ihre Stimme klang so unterkühlt, dass man fürchten musste, Hooters gewaltige Nase könnte sich in einen Eiszapfen verwandeln.
    »Lass sie lieber los«, empfahl Arian dem Diener.
    Zed tat wie ihm geheißen.
    Ikela betrat den kleinen Garten des Palais. Ein halbes Dutzend Leibwächter folgten ihr.
    »Wer ist das denn?«, flüsterte Zed.
    Mira sagte es ihm und er wurde schlagartig blass.
    »Sie sollten meine Mutter mal erleben, wenn sie wütend ist«, witzelte Tarin.
    »Eure …? «
    Das Mädchen stellte ihn ihrem Diener vor.
    Zedekiah wandte sich Arian zu. »Bist du der, für den ich dich halte?«
    »Leider. Mein Körper ist immer noch auf der Flucht.«
    »Dann habe ich aufregende Neuigkeiten für dich.«
    »Ich bin gespannt.«
    »Dein Vater ist nicht tot.«
    »Was? Sprichst du von Tobes? War er doch kein Doppelgänger?«
    »Ähm, davon ist mir nichts bekannt. Ich rede von Philip Astley. Er lebt. Der Sergeant Major muss zäh sein wie ein Dragonersattel.«

    Arian stand am Fenster seines Zimmers im ersten Stock des Stadtpalais und blickte auf den Garten hinaus. Die gute Nachricht aus London hatte für ihn einen bitteren Beigeschmack. Da war einerseits der Verrat seines Adoptivvaters, der ihm immerhin einen gewissenlosen Seelendieb auf den Hals gehetzt hatte. Würde er das dem alten Dragoner je verzeihen können? Andererseits schmerzte ihn die Ungewissheit über das Schicksal seines leiblichen Vaters. Ihre Begegnung auf Ivoria – war das nur eine gemeine Täuschung mit einem Double gewesen? Oder lebte Tobes tatsächlich noch?
    »Morgen wird abgerechnet.« Es war Miras Stimme, die Arian herumfahren ließ. Sie trug ein schmales, langes Kleid aus taubenblauer Wildseide und sah atemberaubend aus.
    »Kannst du Gedanken lesen?«
    Sie lächelte. »Bei dir schon, Arian. Ich muss nur in mich selbst hineinlauschen, um zu hören, wie es dir geht. Unsere Schicksale sind einander sehr ähnlich.«
    »Fragt sich nur, was wir daraus machen. Anfangs wollte ich lediglich meinen Körper zurückhaben und mich von den Seelenechos befreien, die mich in einen finsteren Abgrund locken.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich fühle mich mit jedem Swap schmutziger … verderbter, weil dadurch dunkle Neigungen und Gefühle in mich eindringen und mich zu überwältigen drohen.«
    »Als wir zusammen in einem Körper waren, habe ich dein Herz gesehen, Arian. Es ist hell und stark. Nur wenn du die Finsternis hineinlässt, kann sie dich bezwingen.«
    »Ich wehre mich ja dagegen, aber dieser Kampf laugt mich aus. Eigentlich brauche ich meine Kraft für andere Dinge. Da ist die Frage, ob mein Vater lebt und …« Er

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