Die Masken des Morpheus
gespürt habe.«
»Du bist noch jung und unerfahren. Er dagegen ist der älteste aller Körpertauscher und versteht sich wie kein Zweiter darauf, sich zu verstellen. Außerdem glaubt er fürwahr, das Richtige zu tun. Er tritt auf wie ein Engel des Lichts und doch ist er ein Dämon.« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Zumindest gebärdet er sich so.«
»Und Ihr denkt tatsächlich, dass ich gegen ihn zu bestehen vermag?«
»Ja. Weil du der Sohn einer Ruhenden bist.«
»Anscheinend schützt mich das nicht vor all den grausamen Trieben der Menschen, deren Körper ich durchlebt habe. Ich fürchte, irgendwann könnte nichts mehr von mir übrig sein.«
»Du solltest diese Sorge ernst nehmen. Offenbar bist du besonders empfänglich für das Seelenecho.« Sie musterte ihn aus ihren dunklen Augen. Dann lächelte sie. »Darf ich dir einen Rat geben?«
»Welchen?«
»Lerne das Böse zu hassen, nicht diejenigen, die es tun. Hast du je die Bäume gesehen, die an einer stürmischen Küste stehen?«
Er nickte. »Manche waren ziemlich schief.«
»Der Wind beugt sie zwar, doch wenn sie gesund sind, vermag er sie nicht zu brechen. Ob du dich umwerfen lässt, Arian, liegt allein bei dir. Dein Wille ist stark. Ich spüre die Kraft in dir. Deshalb fürchtet dich dein Urgroßvater und versucht die Entscheidung zu erzwingen, ehe du zu mächtig für ihn wirst.«
»Hoffentlich ist gestern keiner seiner Schergen entkommen.«
»Da könnt ihr ganz unbesorgt sein. Was Bedrohungen meiner Festung anbelangt, habe ich ein sehr sicheres Gespür. Wir sollten die gewonnene Zeit nutzen, um nun unsererseits das Heft in die Hand zu nehmen.«
»Was schlagt Ihr vor?«
»Stellen wir Morpheus eine Falle.«
»Ist er dafür nicht zu schlau?«
»Sein Stolz macht ihn auf einem Auge blind. Er denkt, in seiner Stadt – in Paris – kann ihm nichts passieren …«
»Ein unter uralten Tauschern ziemlich verbreiteter Irrtum«, warf Tarin ein.
Ikela bedachte ihn mit einem mahnenden Blick, ehe sie fortfuhr. »In seinem Palast schützt ihn seine Macht. Deshalb locken wir ihn heraus.«
»Und wie?«, fragte Arian.
»Wir könnten das Gerücht in die Welt setzen, die Freien hätten sich gegen ihn verbündet, nachdem sie hörten, dass Tobes’ Sohn zurückgekehrt und von einer Mörderbande des Fürsten überfallen worden sei. Lassen wir ihn ruhig über den Ausgang seiner Kabale hier im Ungewissen. Ich werde einen Mittelsmann zu ihm schicken, mit dessen Hilfe wir bereits früher Botschaften ausgetauscht haben.«
»Ihr meint Nostradamus?«
Sie nickte. »Wir verkehren über Brieftauben miteinander. Machen wir Morpheus glauben, ein alter Weggefährte deines Vaters wolle zu ihm überlaufen, um einen Krieg der Körpertauscher zu verhindern.«
»An wen habt Ihr dabei gedacht?«
»An Giacomo Girolamo Casanova. Bestimmt hast du schon von ihm gehört.«
»Ja.« Arian und Mira wechselten einen Blick. »Wird der Fürst uns die Geschichte abnehmen?«
»Er wird der Aussicht kaum widerstehen können, sämtliche Rebellen auf einen Schlag auszumerzen. Und Casanova ist die ideale Besetzung für unser Ränkespiel. Für einen jungen Körper, mit dem er neue Abenteuer bestehen und schöne Frauen verführen kann, würde der tattrige Schwerenöter jeden verraten.«
»Tatsächlich? Ist er krank?«
»Es ist ein offenes Geheimnis, wie unzufrieden er mit seiner Stellung als Bibliothekar auf Schloss Dux ist. Es heißt, er sei auf seine alten Tage unleidlich geworden. Er beschwere sich über alles und jeden. Mal komme sein Kaffee zu spät, dann sind seine Makkaroni zu kalt oder die Suppe zu heiß. Niemand nehme ihn mehr ernst, soll er geklagt haben. Der abgehalfterte Abenteurer merkt wohl, dass er sich mit seinen Ausschweifungen selbst zum Narren gemacht hat. Nun fürchtet er, seine Memoiren, an denen er so verbissen schreibt, finden keine Leser. Wenn so einer in seinem Groll die Seiten wechselt, wäre das nur allzu menschlich.«
»Na schön. Angenommen, mein Urgroßvater schluckt den Köder. Wie geht’s dann weiter?«
»Nach allem, was ich über eure Reise weiß, liegt der Elfenbeinpalast im Norden Frankreichs. Dort kann ich in wenigen Tagen eine kleine Armee mobilisieren und nach Ivoria schicken. Sobald wir wissen, dass der Metasomenfürst uns auf den Leim gegangen ist, werden meine Söldner sein Schloss einnehmen und die Gefangenen befreien.«
Arian atmete tief durch. »Ich hoffe, sie finden meinen Vater. Wohin genau wollt Ihr Morpheus locken?«
»Wir laden ihn
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