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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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entfesselte Locken fielen herab.
    Einige der Artisten, die noch im Hof geblieben waren, keuchten vor Überraschung. Jeder hier kannte und liebte die Braut von Master Mike Astley.
    »Das Mädchen sieht nur aus wie meine Verlobte. Geht endlich und löscht das Feuer!«, rief Arian. Dann wandte er sich Mira zu. Sein Magen verkrampfte sich. Wenigstens gab es nun keine Zweifel mehr, wessen stoffliche Hülle da vor ihm stand. Allein der heftig blutende Schlitz in Miras linkem Ohr machte ihn wütend. Was Morpheus ihr sonst angetan haben mochte, brachte seine Seele zum Kochen. Am liebsten hätte er sich mit wildem Geschrei auf dieses Ungeheuer gestürzt, was zweifellos zu dessen Plan gehörte. Doch er war durch die Leiden, die ihm sein Urgroßvater zugefügt hatte, gereift und beherrschte sich.
    Bedächtig zog er den Dolch aus der Scheide.
    Morpheus tat es ihm gleich.
    »Ich habe Fechtunterricht genommen«, sagte Arian.
    »Und ich habe Fechtlehrer in mich auf genommen.«
    »Aber ich bin stärker als du.«
    »Dafür bin ich flinker.«
    »Ich weiß genau, wie schnell meine Braut ist.«
    »Ihr habt doch nicht schon vor der Hochzeit …?«
    Arian eröffnete den Kampf mit einer Flèche – mit vorgestrecktem Arm warf er sich blitzartig auf den Gegner. Trotzdem nicht schnell genug. Morpheus parierte den Angriff und versuchte seinerseits den Dolch in Arians Körper zu stoßen. Dessen Kurzwaffe fing die gegnerische Klinge ab.
    Einen Moment lang standen sich die beiden Auge in Auge gegenüber, während sie ihre Waffen gegeneinanderdrückten. Arian hatte das Gefühl, sein Herz müsse zerspringen. Was konnte schlimmer sein, als dieses Gesicht, das er doch so sehr liebte, zu hassen? Wütend stieß er Morpheus von sich.
    Der Metasomenfürst rannte in den Pferdestall.
    Arian blinzelte. Die Situation kam ihm vor wie ein Déjà-vu. Er lief hinterher.
    Anders als beim letzten Mal war der Stall nicht wie ausgestorben. Jetzt standen die Tiere darin, die ihren Teil zum Gelingen der Vorstellung beigetragen hatten. Die feuchte Luft war schwer von ihren Gerüchen. Öllampen brannten – wahrscheinlich waren die Pferde gerade gestriegelt worden. Als Arian in den Gang stürmte, hörte er schon Miras Altstimme, nicht mehr liebreizend und weich, sondern eiskalt.
    »Keinen Schritt näher oder ich töte den Alten.«
    Philip saß mit angstweiten Augen in einer Kutsche, die Hände ans Verdeckgestänge gefesselt. Morpheus hielt ihm die Spitze des Rapiers an den Hals.
    Arian ließ den Degen sinken und sah seinen Ziehvater vorwurfsvoll an. »Warum, Sergeant Major?«
    Die Miene des Gefragten spiegelte tiefe Verzweiflung wider. »Er hat mich getäuscht. Ich dachte, es sei Mira. Sie sagte: ›Morpheus will sich mit seinem Urenkel aussöhnen.‹ Ich habe ihr vertraut. Es tut mir …«
    »Das genügt«, fuhr ihm der Fürst über den Mund.
    »Du …!«, knurrte Arian. »Du schreckst wirklich vor keiner Schandtat zurück.«
    »›Die Menschen sind so einfältig und hängen so sehr vom Eindruck des Augenblickes ab, dass einer, der sie täuschen will, stets jemanden findet, der sich täuschen lässt.‹« Morpheus grinste. »Das stammt nicht von mir. Machiavelli hat das gesagt. Dein Ziehvater ist einer von diesen Einfaltspinseln.«
    Ein Windstoß trug Rauch in den Stall. Also war das Feuer im Theater nicht gelöscht, sondern breitete sich immer noch aus.
    »Wie soll das jetzt weitergehen?«, fragte Arian.
    »Ganz einfach. Du spannst vier Pferde vor die Kalesche und ich mache mit Philip eine kleine Spazierfahrt.«
    »Was, wenn ich es nicht tue?«
    »Stirbt er.«
    »Und dann?«
    »Eins nach dem anderen.«
    Arian zweifelte nicht im Geringsten an Morpheus’ Entschlossenheit. Es musste doch eine Möglichkeit geben, den Sergeant Major zu retten. Vielleicht in der Schatzkammer der Begabungen, die er den Swaps verdankte. Ikela!, schoss es ihm jäh durch den Sinn.
    Plötzlich rollte die Kutsche los, nein, sie katapultierte sich förmlich in den Gang. Nach wenigen Schritten knallte sie gegen einen der Stützpfosten. Philip wurde an die Sitzbank auf der anderen Seite geschleudert, prallte mit dem Kopf an den Kutschbock und verlor die Besinnung.
    Arian verzog das Gesicht. »Entschuldige.«
    Einige Pferde wieherten vor Angst oder schlugen mit den Hufen aus.
    Morpheus war völlig überrascht worden und schäumte vor Wut. »Wie hast du das gemacht?«
    »Das Gegenteil von Stillstand ist Bewegung.«
    »Was?«
    »Ich zeig’s dir noch mal.« Arian rannte los, direkt auf Morpheus zu.

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