Die Masken des Morpheus
den Leib, in dem so erbittert um die Vorherrschaft gekämpft wurde.
Auf einmal, so schien es, ging der Uralte in die Knie. Sein Geist zog sich zu einer kleinen Kugel zusammen. Kapitulierte er?
Plötzlich schoss der geballte Wille des Fürsten in den rechten Arm und streckte ihn aus. Arian setzte sofort nach und rang um die Kontrolle über das widerspenstige Glied. Hilflos musste er mit ansehen, wie seine zitternde Hand sich dem Gesicht des leblosen Harlekins näherte – bis sie dessen Kinn berührte.
Wie ein Aal wand sich Morpheus aus der Umklammerung heraus und entwischte in den anderen Körper.
Der letzte Kampf,
in dem Arian alles gewinnen
oder alles verlieren kann.
London, 16. August 1794
Arian rollte sich weg von dem Gegner, als wäre dieser ein bunt gescheckter Teufel. Seine Muskeln schmerzten von den Schüttelkrämpfen. Ächzend stemmte er sich auf die Beine hoch. Als endlich die tanzenden Sterne vor seinen Augen verschwanden, blickte er in die Mündung einer Pistole.
Morpheus grinste. »Dann machen wir es eben auf die neumodische Art.« Er streckte den Arm aus und zielte.
Reflexhaft ließ Arian einen unsichtbaren Kugelblitz in die Waffe fahren.
Als Morpheus abdrückte, zerfetzte der Lauf seiner Pistole wie eine Mohrrübe unter dem Schmiedehammer. Glühende Eisensplitter trafen ihn an der Brust, am Bein und am Ohr. Er schrie mit seiner schrillen Frauenstimme, dass man es wohl bis nach draußen hörte. Die Verletzungen waren schmerzhaft, aber bestimmt nicht tödlich.
Arian begriff jetzt erst, wie unüberlegt sein Handeln war. Er hätte Miras stoffliche Hülle töten können. Außerdem waren etliche Funken in das Sägemehl gefallen. An verschiedenen Stellen loderten bereits kleine Flammen. Er musste die Sache zu Ende bringen, ehe der Staub in der Luft sich entzündete. Die Explosion würde sie beide zu Asche verwandeln und obendrein das Theater zerstören. Es war so gut wie unmöglich, das zu verhindern, ohne Miras Körper zu opfern.
Wütend schoss er eine weitere Kugel heißer Geistesenergie ab, diesmal direkt auf den Metasomenfürsten.
Nichts geschah.
Morpheus lachte. »Damit hast du nicht gerechnet, was? Ich bin vielleicht nicht so begabt wie du, was das Seelenecho anbelangt, doch dafür bin ich erfahrener. Zugegeben, unser Körpertausch auf Ivoria war ein bisschen berechnend. Dabei ist einiges von dir auf mich abgefärbt. Seitdem bin ich unempfänglich für deine Kräfte.«
Arian riss seinen Säbel aus dem Boden. »Bist du auch unempfindlich gegen Stahl?«
»Mir wird’s hier zu brenzlig. Wenn du’s herausfinden willst, dann komm mit.« Der weibliche Harlekin wirbelte herum und rannte auf den Vorhang zu.
»Halt!«, brüllte Arian. Er lief zu einem Feuertümpel und versuchte, ihn auszutreten. Mit Mühe schaffte er es. Doch es waren bereits zu viele Herde; er konnte sie nicht mehr löschen. Als er den Blick hob, war Morpheus verschwunden.
Mit einem zornigen Knurren nahm Arian die Verfolgung auf. Um nicht in eine Falle zu tappen, zerteilte er den Vorhang mit dem Degen und schlüpfte durch den Schlitz. Im Raum dahinter brannte eine Lampe. Morpheus hatte längst das Weite gesucht – nicht ohne eine auffällige Fährte zu hinterlassen: Eine Spur von Blutstropfen am Boden sowie die nur für Swapper wahrnehmbare »Witterung« wiesen Arian den Weg. Er folgte ihr bis hinaus zu dem Vorplatz, wo sich die Ställe und das Requisitenlager befanden. Dort hatten die Artisten und Künstler einen Ring gebildet und mittendrin stand der weibliche Harlekin.
»Niemand berührt sie«, rief Arian und lief auf seinen Urgroßvater zu.
»Das hat uns schon dein Vater gesagt«, erklärte Tom. Er hielt gleich zwei Schwerter in der Hand.
»Wo ist der Sergeant Major?«
»Wissen wir nicht genau. Wir vermuten im Pferdestall.«
Arian blieb in dem Ring stehen, nur wenige Schritte vor dem Harlekin. »Das Amphitheater brennt«, rief er seinen Kameraden zu. »Ihr müsst es löschen. Mein Vater ist nicht versichert und keine Feuerwehr wird uns helfen.«
»Es könnte eine Staubexplosion geben«, sagte Ferrer, einer der Tänzer.
»Versucht es wenigstens, aber riskiert nicht zu viel, Antonio.« Arian wandte sich dem Harlekin zu. »Und nun zu uns.«
»Willst du tatsächlich deine Braut aufschlitzen?«, zischte Morpheus.
»Was hast du ihr angetan?«
»Das braucht dich nicht zu kümmern. Du bist sowieso bald tot.«
Der Fürst riss sich die Larve vom Gesicht und schleuderte seinen Hut weg. Miras
Weitere Kostenlose Bücher