Die Masken des Morpheus
blau, gelb und rot, dazu eine Kappe mit Fuchsschwanz, eine schwarze Halbmaske und anstelle des üblichen Holzschwertes ein schmales Rapier sowie einen Parierdolch. Das Sägemehl hatte ihre Schritte gedämpft. Der Mund unterhalb der Larve lachte nicht. Er war starr, wie versteinert.
Gebannt starrte Arian auf die Augen hinter den Sehschlitzen. Sie waren grün. So wie die von Mira. Hatte dieses Ungeheuer etwa …?
Ehe er reagieren konnte, war der Harlekin bei ihm und berührte ihn an der Hand. »Lass dich umarmen, Sohn«, sagte Morpheus im rauchig zarten Tonfall einer Straßenhure – und mit Miras Stimme. Dann fuhr er in seinen Urenkel.
Beide Körper sanken zu Boden, der des Harlekins so schlaff wie ein Toter und der des Puppenspielers von Krämpfen geschüttelt.
Arian hatte das Gefühl, der Himmel stürze auf ihn herab. Sämtliche Sinne spielten verrückt. Er fühlte Hitze, schmeckte Bitternis, sah pulsierende Sterne, hörte ein seltsames Dröhnen und roch den Moder einer Grabkammer. Der Frontalangriff des Fürsten hatte ihn kalt erwischt. Er konnte sich nur noch innerlich ducken und wie ein Igel die Stacheln aufstellen.
Hast du ernsthaft geglaubt mich töten zu können?, verhöhnte ihn Morpheus mit seiner Gedankenstimme. Arian war zu keiner Antwort fähig. Der Stachel des Verrats hatte erst seine Wahrnehmung betäubt und jetzt raubte er ihm die Kraft. Du erkennst also endlich meine Macht an, deutete der Metasomenfürst sein Schweigen.
Ich habe sie nie bestritten, entgegnete Arian. Die Vorstellung, Mira könnte schon von Morpheus verschlungen worden sein, machte ihn rasend. Er verspürte den unbändigen Drang, die tiefschwarze Bestie freizulassen, die er in seinem Innern eingesperrt hatte. Aber er entschied sich dagegen, warf gleichsam den Schlüssel in den dunkelsten Abgrund seiner Seele.
Das ist nicht dasselbe. Ich rede von bedingungslosem Gehorsam. Du bist zwar mächtiger als ich, doch all die Schurken, die dir ihre Körper geliehen haben, konnten dir nicht die Skrupel austreiben. Solange du ein Menschenfreund sein willst, wirst du schwach sein. Auf der Klippe bei Dover hast du behauptet, du würdest mich hassen. Wäre dem wirklich so, hättest du mich vernichtet.
Wer hat größere Macht? Derjenige, der dem Bösen freien Lauf lässt, oder einer, der es besiegt?
Du wirst mich nicht bekehren, Arian. An dem Versuch ist schon dein Vater gescheitert. Und jetzt hör endlich auf, dich einzukapseln, als wärst du eine Kellerassel, die sich zusammenrollt. Das nützt dir nichts.
Stimmte das? Wenn einer so sehr seine Überlegenheit betonte, wollte er dann nicht eine Schwäche bemänteln? Immerhin hatte der Fürst gerade angedeutet, dass er nicht unbesiegbar war. Arian schöpfte neue Hoffnung. Vielleicht war Mira noch zu retten. Schon um ihretwillen durfte er sich nicht aufgeben.
Warum schweigst du? , dröhnte Morpheus Seelenstimme. Sein Geist senkte sich erdrückend und dunkel auf Arian herab. Ich gebe dir eine letzte Chance. Unterwirf dich mir ohne Wenn und Aber.
Nein!
Was?
Du kannst die Verschmelzung mit mir zwar erbitten, doch nicht erzwingen. Als Ikela starb, fragte ich sie, wie ich dich besiegen könne. Sie sagte: »Die Antwort liegt in dir selbst.« Jetzt verstehe ich, was sie damit meinte: Solange ich dir mein Herz nicht öffne, bleibst du draußen.
Stille. Arian meinte auf einmal den Angstschweiß des anderen zu riechen. Wahrscheinlich wurde Morpheus gerade bewusst, wie mächtig sein Urenkel durch all die Menschen geworden war, mit denen er die Körper geteilt oder getauscht hatte. Verdächtig ruhig antwortete er: Du bist klug, du kleiner Bastard. Hast also endlich erkannt, dass wir zwei wie Essig und Öl sind – sogar, wenn man sie vermischt, gehen sie wieder auseinander. Nur hast du übersehen, dass ich jetzt deinen Leib beherrsche. Willst du ewig in deinem Versteck hocken und schmollen?
Keineswegs, erwiderte Arian . Und übrigens verstehe ich was vom Kochen. Mit etwas Eigelb verbinden sich auch Essig und Öl. Als Kind einer Blockerin und eines Swappers dürfte ich dann das Gelbe vom Ei sein.
Was? In der Geistesstimme des Fürsten schwang Entsetzen.
Die Welt wird bestimmt eine andere sein, sobald ich dich in mir aufgenommen …
Arian stieß plötzlich zu. Seine Stacheln lösten sich gleichsam aus dem Panzer, in dem er sich eingeigelt hatte, und drangen ins Bewusstsein des Fürsten ein. Morpheus schrie vor Schmerz und Zorn. Er wehrte sich verbissen – und er war stark. Neue Krämpfe schüttelten
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