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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Mörder, der nicht viel Federlesens machte, wenn ihm jemandes Nase nicht passte. Hooters Riechkolben bot eine Menge Angriffsfläche für Beanstandungen. Für einen Rückzieher war es allerdings zu spät. Slit und Monster klebten an seiner Seite, während sie durch die Gassen des French Quarter liefen.
    Anders als Bloomsbury, Marylebone oder Mayfair war Soho nie eine schicke Wohngegend für die Reichen gewesen. Der endgültige Abstieg aus der Mittelmäßigkeit begann spätestens mit den Hugenotten, die in Frankreich wegen ihres Glaubens verfolgt worden waren und sich hier vor gut einhundert Jahren niedergelassen hatten. Ihnen verdankte der Londoner Stadtteil auch den Beinamen French Quarter – »französisches Viertel«.
    Die Häscher des Constable suchen bestimmt nach wie vor den Wabbey-Mörder , dachte Arian. Er konnte jetzt nachempfinden, wie sich lichtscheues Gesindel fühlte: immer auf der Flucht, ständig in Angst vor dem Henker. Insofern war es ihm nur recht, dass Slit die Öllampen der Hauptstraßen mied und einer unbeleuchteten Nebenroute folgte. Sein pneumatisches Feuerzeug und die Fackel aus dem Schmugglertunnel leisteten ihnen dabei gute Dienste. Das Straßenpflaster war feucht, und der Nebel dämpfte das Echo ihrer Schritte, die zwischen den Backsteinwänden widerhallten.
    »Da sind wir«, sagte der Schlitzer auf einmal. »Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe. Im Moment wissen nur wenige Vertrauensleute, wer in diesem Haus wohnt. Das soll auch vorerst so bleiben, bis sich der Boss von ’ner gefräßigen Raupe in den schillerndsten Schmetterling der Londoner Gesellschaft verwandelt hat. Derzeit bringt er noch jeden um, der ihm die Überraschung verdirbt.«
    Monster bellte zustimmend.
    »Ist das nicht Soho Square, die letzte Insel der Noblesse im Viertel?« , überspielte Arian sein Unbehagen.
    Der Dicke lachte. Es klang wie das Keckern eines exotischen Vogels. »Wie gewählt du dich ausdrücken kannst. Im Übrigen sind hier nur noch die Fassaden nobel und sogar die gehören dringend ausgebessert und frisch gestrichen. Wer im Adel was darstellt, hat schon vor einem halben Jahrhundert die Flucht vor dem Pöbel ergriffen. Der jämmerliche Rest der blaublütigen Bande wird auch bald verschwunden sein.«
    »Dann verdankt der King wohl einem von ihnen seinen Stadtpalast.«
    »Richtig. Hat ihn für einen Spottpreis bekommen. Der Boss meint, sein neues Leben als geachteter Bürger verdiene einen verschnörkelten, blattvergoldeten Rahmen.« Slit erklomm die Stufen eines Portals und benutzte den Türklopfer.
    Arian legte den Kopf in den Nacken. Das Backsteinhaus kam ihm wie der gescheiterte Versuch vor, die Erhabenheit des klassischen Altertums mit barocker Verspieltheit aufzufrischen. Der überdachte Eingang glich dem Portikus eines griechischen Tempels. Im bröckelnden Stuck der Fensterumfassungen glaubte er Muschelverzierungen und Engelsgesichter auszumachen. Der Verbrecherkönig von London hatte sich fürwahr ein ziemlich protziges Domizil gesucht. »Hältst wohl nicht viel vom Prunk der Oberschicht?«, deutete Arian den abfälligen Tonfall des Schlitzers. Hinter der Tür war ein Geräusch zu hören.
    Slit schnaubte. »Ich finde, die Froschfresser auf der anderen Seite des Kanals machen’s gerade richtig. Schlagen allen Adligen und Pfaffen die Rübe ab, damit mehr für Leute wie uns übrig bleibt. Die feinen Pinkel haben das Volk lange genug ausgebeutet.«
    »Hört, hört! Da spricht ein verkappter Freund der Revolution«, spöttelte Arian genau in dem Moment, als sich die Tür öffnete.
    Ein livrierter kleiner Mann mit gepuderter Perücke sah Slit überrascht an. »Sie sind ein Jakobiner, Sir?«
    »Quatsch!«, knurrte Slit und streckte dem Diener seinen Dreispitz entgegen. »Sieht das etwa aus wie eine Zipfelmütze?«
    »Nein, Sir. Eher wie ein Nebelspalter. Darf ich fragen, wer der andere Herr ist, Sir?«
    Slit drehte sich zu Arian um und deutete auf den Schmächtling, der in seiner mit Goldtressen besetzten grünen Livree an einen aufgeputzten Weihnachtsbaum erinnerte. »Der Hungerhaken ist Alfred, die neueste Errungenschaft des Bosses. Er soll diesem Haus mehr Stil verleihen.« Und sich wieder dem Diener zuwendend, antwortete er: »Dieser Gentleman ist Hooter. Ein Zunftgenosse aus den Docklands. Wir zwei haben heute zusammen einen Auftrag für den King erledigt. Dabei sind wir einer Sache auf die Spur gekommen, die er dringend hören sollte.«
    »Wie Ihnen bekannt sein dürfte, weilt der Herr derzeit im

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