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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Ihr Schweigen mal als Zustimmung«, erklang es von oben. Wie schon zuvor stampften die schweren Stiefel über die Dielen: Der Fänger lief schon zum Ende der Theke. Arians Blick folgte dem Geräusch. Was sollte er tun?
    Plötzlich fühlte er sich am Handgelenk gepackt. Ausgerechnet an dem linken. Ein infernalischer Schmerz schoss ihm durch den verletzten Arm. Er schnappte nach Luft. Nur mit Mühe konnte er einen Schrei unterdrücken. Blinzelnd suchte er nach seinem Peiniger. Es war Slit. Er saß in dem Schrank…
    Falsch. Der Dicke ragte im Thekenschrank aus dem Dielenboden heraus. Während alle anderen abgelenkt waren, musste er die Schiebetüren und die dahinter verborgene Geheimtür im Boden geöffnet haben. Vermutlich hatte er Monster irgendwo unten abgeladen, denn Slit stand allein auf der steilen Treppe, die in dunkle Tiefen führte. Schon um den Schmerz loszuwerden, ließ sich Arian in das Versteck ziehen.
    Der Fänger hatte die Theke fast umrundet, als sich leise die Türen des Schrankes schlossen.

    Es war stockfinster. Arian konnte die Hand nicht vor Augen sehen. Monsters Knurren war das Einzige, was er wahrnahm. »Wenn sie richtig suchen, werden sie auch die Luke im Boden finden«, flüsterte er.
    »Das glaube ich nicht. Sie ist gut getarnt«, wisperte Slit. »Außerdem sind wir bis dahin längst über alle Berge. Dieser Geheimgang wird normalerweise von Schmugglern benutzt, um ihre Konterbande an Land zu schaffen. Du hast nicht zufällig ein Flämmchen dabei?«
    »Nein«, raunte Arian. Nur ein paar lichte Illusionen.
    Monster knurrte, als erinnere er sich noch genau an das falsche Feuer, das ihn unter dem Tisch hervorgescheucht hatte.
    Arian wehrte sich gegen die Vorstellung, von einem Hund der Lüge überführt zu werden. Er hörte ein schnappendes Geräusch und plötzlich glühte die Hand des Schlitzers auf. »Wie hast du das gemacht?«, staunte Arian. War der Dicke etwa auch ein Begabter?
    Slit zog grinsend eine Fackel aus einem Haltering an der Schachtwand und entzündete sie an der Glut. »Man nennt es Feuerzeug. Mortimer hat es aus Paris mitgebracht und dem Boss geschenkt. Der wusste damit nichts anzufangen und hat’s mir gegeben. Das Ding hat sich ein Froschfresser ausgedacht, der Humorisch heißt oder so ähnlich.«
    »Du meinst den Revolutionsgeneral Dumouriez. Sein richtiger Name ist Charles-François du Périer du Mouriez.« Für einen Zeitungsleser wie Arian war der ehemalige Außen- und Kriegsminister Frankreichs kein Unbekannter und auch von dessen pneumatischem Feuerzeug hatte die Times berichtet. Es beruhte auf der Komprimierung von Luft mittels eines Kolbens, der rasch in einen Zylinder getrieben wurde. Dabei entstand Hitze, die einen Feuerschwamm entzündete.
    »Bist wohl ein besonders Schlauer, was?«, schnarrte Slit. »Komm jetzt, oder die Häscher erwischen uns doch noch.«
    Er lief mit der Fackel voraus und Arian stapfte hinterher. Der mit Balken abgestützte Tunnel wirkte auf ihn beängstigend instabil. Jedes Mal durchlief ihn ein Schauer, wenn er mit Kopf oder Schulter gegen Hindernisse stieß und das Erdreich auf ihn herniederrieselte. Hooters fleischliche Hülle war so gewöhnungsbedürftig für ihn wie eines dieser viel zu großen Kostüme von Mr Merryman, dem Clown.
    Dennoch gelangten die beiden unbeschadet in einen Schuppen, der direkt am Kai lag. Als sie ins Freie traten, umfing sie sofort dichter Nebel. Arian sah im Fackelschein ein Tau, das sich im Nichts zu verlieren schien. Das daran festgemachte Schiff blieb unsichtbar.
    »Ich habe dir den Hals gerettet. Du bist mir was schuldig«, sagte Slit.
    »Wenn du mich zum King bringst, dann werde ich ihm erzählen, was für ein toller Hecht du bist.«
    »Übertreib’s nicht. Der Boss kann Speichellecker nicht riechen.«
    »Du sagtest vorhin, dass er sich abends immer in einem Dampfbad entspannt. Meinst du damit etwa ein türkisches Bad?« Als Arian noch mit dem Puppenspieler Kord kreuz und quer durch Europa gereist war, hatte er einmal in Ungarn einen Hamam besucht.
    Slit nickte. »Du weißt ja, woher Turtleneck seinen Namen hat: Sein Hals ist so schrumplig wie bei einer Schildkröte. Der King denkt, seine Haut würde glatter von dem Dampf. Stell dich schon mal darauf ein, dass dir bald ziemlich heiß werden wird.«

    Der abendliche Marsch nach Soho hatte Arian gutgetan. Er war noch nicht völlig nüchtern, doch immerhin klar genug im Kopf, um den Wahnwitz seines Vorhabens zu begreifen. Es hieß, Turtleneck sei ein skrupelloser

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