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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Hamam«, erwiderte Alfred unbeeindruckt.
    Slit zog blitzschnell sein Messer und hielt es ihm unter die Nase. »Ja, das ist mir bekannt, du Lackaffe. Ich bin nämlich sein Leibwächter. Was ist nun? Lässt du uns rein oder muss ich dich erst in der Mitte durchschneiden?«
    Der Livrierte wich erschrocken zurück. »Sie kennen ja den Weg.«
    Slit drückte ihm das Ende der Hundeleine in die Hand. »Sie wissen ja, dass der Boss meinen Liebling nicht ausstehen kann. Passen Sie gut auf ihn auf, bis ich zurückkomme.«
    Mit spitzen Fingern nahm der Diener die Leine entgegen. Monster knurrte ihn an.
    Nachdem der Schlitzer seinem vierbeinigen Freund eingeschärft hatte, dass der wandelnde Weihnachtsbaum zum Verzehr nicht geeignet war, übernahm er wieder die Führung. Es ging durch eine mit Marmor ausgelegte Empfangshalle, die ein furioses Deckengemälde überspannte. Es zeigte eine bartlose, dürftig bekleidete Männergestalt mit großen Flügeln. Ein Motiv aus der griechischen Sagenwelt, wie Arian sich zu erinnern meinte: Die vier Jahreszeiten huldigen Chronos, dem Gott der Zeit. Hätte er, der um seinen Körper Betrogene, doch nur mehr davon! Vielleicht hatte der Seelendieb London schon verlassen.
    Über eine geschwungene Treppe führte ihr Weg in den ersten Stock hinauf und von der Halle aus tief in das erstaunlich weitläufige Gebäude hinein. Selbst die Korridore waren hier luxuriös ausgestattet. Auf dem Boden lagen orientalische Läufer und an den Wänden hingen geblümte Papiertapeten. Ab und zu kamen sie an Kommoden und Sitzmöbeln mit verschnörkelten Beinen vorbei.
    Nach einigen Abzweigen blieb Slit vor einer weiß lackierten Tür stehen, die von zwei schwarz gekleideten kräftigen Kerlen mit finsteren Gesichtern bewacht wurde. Einer hatte einen feuerroten Lockenkopf und der andere sah aus, als seien ihm anstelle von Händen große Ambosse aus den Armen gewachsen. Slit begrüßte sie wie Kameraden, die jedoch im Rang unter ihm standen, und wechselte mit ihnen ein paar gemurmelte Worte.
    »Das sind Redhead und Hammer«, sagte er hierauf zu Arian. »Sie leisten dir Gesellschaft, bis ich wieder da bin.«
    »Danke.«
    »Spar dir das bis später auf. Es könnte sein, dass wir dich abmurksen müssen, weil du die Adresse des Kings kennst.«

Auf der Suche nach dem Seelendieb
gerät Arian gehörig ins Schwitzen.
      
      
      
    London, 7. Juni 1793
      
    Arian lief vor der Tür auf und ab. Der Halfpenny schlug Flickflacks auf seiner Hand. Redhead und Hammer verfolgten jede seiner Bewegungen. Vor dem Rotschopf hatte er keine Angst, der war schlaksig und vertraute offenbar ganz auf die Vorderladerpistole, die seinen Frock ausbeulte. Der Hammermann war da ein viel dickerer Brocken – im wahrsten Sinne des Wortes.
    »Kannst du mir zeigen, wie das geht, falls du den heutigen Tag überlebst?«, fragte er mit Blick auf Hooters tanzende Finger.
    »Bei deinen Händen müsstest du schon ein Hufeisen nehmen«, versetzte Arian.
    Ein Geräusch aus dem Dampfbad ließ ihn innehalten. Rasch steckte er die Kupfermünze in die Hosentasche. Der messingfarbene Türknauf drehte sich. Redhead griff in seine Jacke und Hammer ballte die Fäuste. Die Tür schwang auf und wieder tönte dieses seltsame Zischen aus dem Raum. Slit erschien in einer Wolke von Dampf.
    Sein rundes Gesicht war schweißüberströmt. Er grinste. Bei ihm wusste man nie, ob das ein gutes Zeichen war. »Du kannst reinkommen«, sagte er.
    Arian atmete erleichtert auf und trat auf die Tür zu.
    Der Schlitzer verstellte ihm den Weg und streckte die Hand aus. »Hast du nicht was vergessen?«
    »Ich wüsste nicht…«
    »Dein Messer.«
    »Entschuldige.« Arian zog es aus der Scheide und gab es dem Leibwächter.
    Der machte nun endlich den Weg frei zu dem Mann, den Arian ebenso fürchtete, wie er ihn brauchte. »Benimm dich anständig, sonst komme ich rein und tranchiere dich.«
    Um seine Unsicherheit zu überspielen, trat Arian betont forsch an dem Schlitzer vorbei in den von gedämpftem Licht erhellten Raum. Sogleich umhüllten ihn kochend heißer Dampf und ein betäubender ätherischer Duft. Die Sicht war erfreulich schlecht, noch mieser sogar als draußen im Londoner Nebel. Fast augenblicklich brach ihm der Schweiß aus. Auf dem Weg nach Soho hatte Slit berichtet, dass Turtleneck sich den Hamam nach einer ottomanischen Reisebeschreibung hatte bauen lassen. Soweit erkennbar hatte es nur wenig mit dem prächtigen Rudas-Bad gemein, das Arian aus Budapest kannte. Eher war es

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